Die Stadt der Heiligen (German Edition)
«Kennen die beiden denn einander schon so lange?»
«Nein, erst seit ein paar Tagen. Obgleich sie sich wohl schon einmal vor vielen Jahren begegnet sein müssen.» Marysa blickte auf ihre Hände. «Meister Goldschläger scheint ein guter Mann zu sein. Dennoch …»
«Was?» Neugierig musterte Christophorus sie.
Marysa zögerte. Eigentlich ging es den Dominikaner ja nichts an. «Mir kommt das alles sehr überstürzt vor. Sie haben bereits einen Hochzeitstermin Anfang September festgelegt.»
Christophorus legte den Kopf auf die Seite. «Manche Menschen brauchen nicht sehr lange, um zu wissen, wem ihr Herz gehört.»
Marysa hob den Blick wieder. «Das hat meine Mutter auch gesagt.»
Christophorus nickte. «Die Liebe geht oft seltsame Wege. Und in diesem Fall kann man wohl behaupten, dass es auch im materiellen Sinne eine vernünftige Verbindung ist.»
«Das mag sein.» In Marysas Stimme schlich sich eine Spur Bitterkeit. «Vernünftiger als manch andere, meint Ihr wohl? Ich habe Euch gesehen. Ihr habt beobachtet, was nach Eurem Besuch neulich bei uns geschehen ist.»
Christophorus hob überrascht die Brauen. «Ich habe es gesehen, ja. Aber ich würde mir niemals anmaßen, ein Urteil darüber zu fällen.»
«Das will ich Euch auch nicht geraten haben.» Marysa sah ihn scharf an. «Ich werde nicht darüber sprechen.»
«In Ordnung. Ich werde auch nicht danach fragen.» Christophorus blickte über ihre Schulter zu einem der geöffneten Fenster hinaus. «Es regnet noch immer.»
Marysa drehte sich kurz um und zuckte dann mit den Schultern. «Ihr braucht kein Mitleid mit mir zu haben.»
Christophorus verzog die Lippen zu einem Grinsen. «Das habe ich auch nicht. Das Weib sei dem Manne untertan. Das sagt schon die Bibel. Aber schade um das schöne Instrument.»
Marysas Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. «Ich warne Euch. Macht Euch nicht über Dinge lustig, die Ihr nicht versteht.»
«Ihr habt damit angefangen.» Christophorus feixte noch immer. Er wusste nicht, warum, aber es begann, ihm Spaß zu machen, sie zu ärgern. Vielleicht lag es daran, dass ihm der wütende Ausdruck in ihren Augen lieber war als die Verbitterung, die er eben kurz wahrgenommen hatte. «Ich habe übrigens inzwischen Pilger gefunden, die einige der gefälschten Reliquien gekauft haben. Allerdings habe ich ihnen nicht gesagt, dass sie hereingelegt wurden.»
Marysa blickte auf. «Warum nicht?»
«Weil es mir bei meinen Untersuchungen nicht weiterhilft. Und ihnen auch nicht, denn das Geld, das sie dafür gegeben haben, erhalten sie ja nicht wieder zurück.»
Missbilligend runzelte Marysa die Stirn, musste ihm jedoch insgeheim recht geben. Doch etwas anderes beschäftigte sie nun. «Ihr führt also Eure Untersuchungen fort, ja? Dann wisst Ihr jetzt, wer die Fälschungen verkauft?»
Christophorus nickte und schüttelte sogleich den Kopf. «Ein Augustinermönch namens Theophilus soll der Händler gewesen sein. Aber bemüht Euch erst gar nicht. Ich habe mich erkundigt; im hiesigen Augustinerkloster gibt es keinen Bruder dieses Namens.»
Enttäuscht blickte Marysa wieder auf ihre Hände, die sie auf der Tischplatte ineinander verschränkt hatte. «Reinold …»
«Kann ich Euch was bringen?» Neben ihr war eine der Schankmägde aufgetaucht.
Marysa hob den Kopf. «Nein, ich …»
«Wir bleiben nicht lange», unterbrach Christophorus sie. «Wir machen den Tisch gleich wieder frei für andere Gäste.»
Die Schankmagd nickte lächelnd und blickte ihm dabei länger in die Augen als nötig. Bevor sie zum nächsten Tisch weiterging, zwinkerte sie ihm vielsagend zu.
Marysa sah ihr erstaunt nach. «Was war das denn?»
Christophorus lehnte sich auf seiner Bank zurück, die gleich an der Wand stand. «Was meint Ihr?»
«Das Mädchen hat Euch schöne Augen gemacht.»
«Na und?»
«Ihr seid ein Ordensbruder!»
Christophorus lachte. «Ich kann ihr wohl kaum verbieten, mich anzusehen, nicht wahr?»
«Ja, aber …»
«Und wenn, dann müsstet Ihr dem Kerl am Nebentisch, der Euch schon die ganze Zeit anstarrt, ebenfalls eine Abfuhr erteilen, oder? Immerhin seid Ihr eine verheiratete Frau.»
«Welcher Kerl?» Erschrocken folgte Marysa seinem Blick und erstarrte. «Das ist Hartwig.» Sie blickte sich zu Grimold um, der ihren Vetter wohl auch erst jetzt bemerkt hatte und ihn feindselig anstarrte, sich jedoch ohne ihren Befehl nicht vom Fleck rührte.
Christophorus musterte den Mann genauer. Hartwig war von mittlerer Statur, sein Haar so
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