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Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Titel: Die Stadt der Heiligen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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passen. Musste sich nicht ausgerechnet ein Ablasskrämer und Vertreter der Heiligen Römischen Inquisition anders verhalten?
    Die sanfte, ja zärtliche Art, mit der er die Wange des Mädchens berührt hatte, zeugte von großer Vertrautheit und schien sich in Marysas inneres Auge eingebrannt zu haben. Ungehalten bemühte sie sich, das Bild abzuschütteln, und sah sich nach Grimold um.
    «Herrin?» Der Knecht kam aufgeregt durch die mittlerweile lichter werdende Menschenmenge auf sie zugelaufen. «Verzeiht, ich dachte schon, ich hätte Euch verloren! Seid Ihr etwa hier stehen geblieben? Ich dachte, Ihr müsst so dringend zum Zunfthaus.»
    «Ich komme schon, Grimold», antwortete sie, noch immer etwas zerstreut, und folgte ihm nun endlich zum Marktplatz.

24. Kapitel
    A m frühen Nachmittag war Marysa zurück beim Dom und blickte sich suchend nach Reinold um. Am Verkaufstisch stand jedoch nur Jaromir.
    «Wo ist der Meister?», fragte sie ihn und schob sich ebenfalls hinter den Tisch, um die noch verbliebenen Reliquiare zu begutachten. Mehr als die Hälfte der für den heutigen Tag vorgesehenen Waren schienen bereits verkauft zu sein.
    «Er ist kurz weggegangen, hat mir aber nicht gesagt wohin», antwortete der junge Knecht. «Er hat gemeint, ich könne hier gut allein aufpassen, aber ich soll mir keine falschen Schillinge andrehen lassen.»
    Marysa seufzte. Sie konnte sich schon denken, wo Reinold steckte. Vermutlich war er wieder auf der Suche nach diesem Theophilus. Das würde ihm ähnlich sehen. Und den gerade erst fünfzehnjährigen Knecht ließ er alleine mit den wertvollen Schreinen hier zurück!
    «Geh mit Grimold zur Werkstatt und bring mir die kleine Kiste, die auf dem Arbeitstisch steht», wies sie den Jungen an. «Darin befinden sich noch einmal zwanzig weitere dieser kleinen Reliquiare hier und Lederschnüre. Wie es aussieht, verkaufen wir mehr davon als erwartet.»
    «Aber Herrin, wir können Euch doch nicht ganz alleine hierlassen», protestierte Grimold. «Die vielen Menschen …»
    «Werden mir schon nichts tun», erwiderte Marysa und war selbst erstaunt über ihre gute Laune. Die fröhliche Gesellschaft auf dem Bankett hatte ihr gutgetan. Zwar argwöhnte sie, dass einige der Frauen sich heimlich über ihr Kleid mokiert hatten, doch war niemand so unhöflich gewesen, ihr offenen Spott zu zeigen. Im Gegenteil, die Anwesenden, alles Leute, die sie seit ihrer Kindheit kannte, hatten sie freundlich begrüßt, mit ihr gescherzt und gelacht, fast so wie früher, als ihr Vater noch gelebt hatte. Niemand hatte Reinold vermisst, ja, kaum jemand nach ihm gefragt. Und da sie es leid war, sich von ihm ständig die Stimmung vermiesen zu lassen, hatte sie für eine kurze Zeit so getan, als gäbe es ihn gar nicht.
    «Geht nur, ihr beiden. Meister Reinold wird ja sicher bald wieder zurück sein. Und bis dahin habe ich schon wieder ein paar Schreine verkauft.»
    Grimold gefiel es ganz offensichtlich nicht, sie hier allein zurückzulassen, doch er fügte sich schließlich und scheuchte Jaromir im Laufschritt zurück nach Hause, um so schnell wie möglich wieder hier zu sein.
    Lächelnd blickte Marysa den beiden nach und rückte dann ein paar besonders schöne Schreine auf dem Verkaufstisch zurecht. Jaromir hatte ihr die Geldbörse gegeben, in der es bereits vielversprechend klimperte, und es wäre doch gelacht, wenn sie es nicht schaffte, den vorhandenen Münzen noch etliche weitere hinzuzufügen.
***
    Vergnügt schulterte Christophorus seine lederne Tasche, die außer einem leeren Tintenhorn, Federn und zwei übrig gebliebenen Ablassurkunden nichts mehr enthielt, und ging über den Graben und den Platz auf der Pley hinweg in Richtung Marktplatz. Er hatte heute sehr gute Geschäfte gemacht. Die Börse, die er unter seiner Kutte direkt auf dem Leib trug, war schwer von den Münzen, die er eingenommen hatte. Ihm war nämlich, nachdem er mit seinen Ordensbrüdern die Hore zur Sext gebetet hatte, der Gedanke gekommen, sich mit seinen Pergamenten in der Nähe des Ponttores zu postieren. Nach der heutigen Heiltumsweisung würden viele Menschen die Stadt wieder verlassen und Platz für neue Pilger machen. Unter all jenen, die es nicht geschafft hatten, die Bedingungen für einen vollkommenen Ablass zu erfüllen, wähnte er gute Kundschaft. Und er hatte recht behalten. Die Nachfrage nach seinen Ablassdokumenten war enorm gewesen; am Abend würde er neue aufsetzen müssen. Dazu benötigte er jedoch Pergament, und in seiner

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