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Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Titel: Die Stadt der Heiligen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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verklungen waren.
    Ihre Augen hatten sich längst an die Dunkelheit gewöhnt, und so bemerkte sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung auf der anderen Straßenseite.
    Wieder wich sie ein Stückchen zurück, jedoch nur so weit, dass sie weiterhin zur Straße hinunterspähen konnte. Dort schlich ein Mann, ein Mönch, wie sie vermutete, denn er trug eine lange Kutte mit Kapuze. Ihr Herz begann zu hämmern, als sie ihn an ihrem Haus emporblicken sah. Er war klein und schmal. Sie versuchte mehr zu erkennen, traute sich jedoch nicht, näher ans Fenster zu treten. War das Theophilus dort unten? Was suchte er hier?
    Die Gestalt blieb genau vor dem Haus stehen, betrachtete die Fassade, blickte sich nach allen Richtungen um und ging dann ohne ein Geräusch zu machen weiter.
    Marysa wartete noch einige Minuten, bis sie sich dem Fenster erneut näherte und hinausblickte. Alles war still, bis auf die Grillen. Weit und breit war keine Menschenseele mehr zu sehen. Marysa atmete mehrmals tief ein und aus, um sich zu beruhigen. Vielleicht war das gar nicht Theophilus gewesen. Es konnte auch irgendein anderer Mönch dort unten entlanggeschlichen sein. Einer, der sich heimlich aus seinem Kloster gestohlen hatte, um in einer Taverne zu saufen oder um ein Dirnenhaus aufzusuchen.
    Wieder fiel ihr Bruder Christophorus ein und das quirlige Mädchen, das ihn am Morgen auf dem Parvisch geradezu angesprungen hatte. Ziemlich dreist, sich mit ihr in der Öffentlichkeit zu zeigen. Aber so, wie er sie angesehen und berührt hatte, schienen sie sehr vertraut miteinander zu sein.
    Marysa starrte in der Dunkelheit auf den Giebel des gegenüberliegenden Hauses und bemühte sich, den leisen Stich, den ihr dieser Gedanke versetzte, zu ignorieren.
***
    «Du machst ein furchtbar ernstes Gesicht, Christophorus», sagte Gizella und klimperte auf ihrer Laute herum. «Ich dachte, du seiest hier, um dich zu amüsieren und uns mit deiner Gegenwart zu erfreuen!»
    Christophorus nickte schuldbewusst. «Ich weiß, meine Liebe. Verzeih, aber mir gehen eine Menge Dinge im Kopf herum.»
    Genau wegen dieser Dinge hatte er am Abend seinen Konvent noch einmal verlassen und war gerade vor Torschluss hinaus vor die Stadtmauer gegangen, um seinen ehemaligen Reisegefährten einen Besuch abzustatten. Er hatte gehofft, hier wenigstens ein paar Stunden Zerstreuung zu finden.
    Die Gauklertruppe bestand aus sechs Personen. Gizella, die Lautenschlägerin und Mutter von Estella, war die Anführerin des Haufens. Ihr Gefährte, der blonde Winand, war für die schauspielerischen Darbietungen zuständig und spielte nebenbei abwechselnd Trommel und Schalmei. Manon war eine Französin, die sich aufs Karten- und Würfelspiel verstand und wie Gizella die Laute schlagen konnte. Sie teilte ihr Lager mit Vico, einem bärenstarken und glatzköpfigen Kerl, der jonglieren und mit Feuer die merkwürdigsten und aufregendsten Dinge anstellen konnte.
    Und dann war da noch Heinrich, der ebenfalls die verschiedenen Instrumente beherrschte und sich ansonsten überall nützlich machte, wo es nottat. Christophorus vermutete, dass er in Estella verliebt war, doch diese beachtete den schüchternen jungen Mann kaum.
    Sie alle saßen um ein kleines knackendes Feuer herum. Schüsseln mit den Resten von Gizellas herzhaftem und mit Sicherheit gewildertem Hasenbraten stapelten sich daneben.
    Manon ließ gerade einen Schlauch mit verdünntem Wein herumgehen und schmiegte sich dann wieder an ihren Vico, der ihr den muskulösen, schwarzbehaarten Arm so um die Schultern legte, dass sie darunter fast verschwand. Sie kicherte und flüsterte ihm etwas zu, woraufhin er auflachte.
    Christophorus fühlte sich wohl in dieser fröhlichen Runde. Die Gaukler hatten ihn ohne Vorbehalte auf der Reise in ihren Kreis aufgenommen. Bei ihnen hatte er nicht das Gefühl, sich ständig verstellen zu müssen. Sie sahen ihn als ihresgleichen an, und in gewisser Weise war er das ja auch.
    «Erzähle uns doch von den Dingen, die dich beschäftigen», forderte Estella ihn auf und sah ihn von der Seite an. Sie saß dicht neben ihm, und wenn er gewollt hätte, hätte er sie ebenso an sich ziehen können wie Vico seine Manon. «Vielleicht können wir dir ja helfen.»
    Christophorus lächelte. «Das glaube ich nicht. Es handelt sich um eine komplizierte Sache, über die ich auch nicht sprechen möchte.»
    «Hat es etwas mit diesem Mädchen zu tun?», fragte Gizella. «Mit der Schwester deines Freundes? Hast du sie gefunden?»
    «Das habe ich»,

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