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Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Titel: Die Stadt der Heiligen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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wisst Ihr?» Der Priester wich vor der Leiche zurück, ließ sie jedoch nicht aus den Augen, als habe er Angst, sie könnte wiederauferstehen und sich für den grausamen Tod rächen. «Hat er …? Ich meine, warum habt Ihr ihn getötet?»
    Der Domherr zuckte mit den Schultern. «Er hat den Fehler gemacht, zu glauben, er könne mich erpressen.» Er schob den Dolch zurück in seinen Gürtel. «Aber niemand kommt mir in die Quere. Merk dir seinen Anblick genau, mein Junge.»
    Der junge Geistliche wurde leichenblass.
    Kalt lächelnd setzte sich der Kanoniker wieder an sein Schreibpult. «Ich habe einen neuen Auftrag für dich. Schaff die Leiche fort und schreibe an die Augustiner in Kornelimünster, dass Bruder Theophilus unglücklicherweise Opfer eines bedauerlichen Unfalls geworden ist und dass seine Pfründe sowie all seine Liegenschaften und Ländereien an uns zurückfallen. Und dann», er verschränkte die Arme vor der Brust, «wirst du dich um Meister Markwardt kümmern.»

26. Kapitel
    M arysa ging unruhig in ihrer nur von einer Kerze erhellten Schlafkammer auf und ab. Es war bereits nach Mitternacht und Reinold noch immer nicht zurück. Sie hatte Grimold bereits vor Stunden auf einen Rundgang durch die Stadt geschickt, doch er hatte den Meister nicht gefunden.
    Sie fürchtete inzwischen, ihren Gemahl habe das gleiche Schicksal ereilt wie Klas und jeden Moment würde der Büttel mit der schlimmen Nachricht vor ihrer Tür stehen.
    Nervös nagte sie auf ihrem Daumennagel herum. Was sollte sie tun? Sie konnte ja schlecht selbst nach ihm suchen, schon gar nicht mitten in der Nacht. Selbst Bruder Christophorus, dem sie am ehesten zugetraut hätte, dass er Reinold aufstöberte, hatte sich nicht wieder gemeldet.
    Beim Gedanken an den Dominikaner holperte ihr Herz erneut, doch sie rief sich sofort zur Ordnung. Was sollten diese merkwürdigen Anwandlungen auf einmal? Sie konnte diesen Mann nicht ausstehen, ganz zu schweigen davon, dass er ein Geistlicher war. Am liebsten würde sie gar nichts mehr mit ihm zu tun haben müssen.
    Sie richtete ihre Gedanken erneut auf Reinold und die Gefahr, in der sie ihn wähnte. Vor ihrem inneren Auge erschienen bereits Bilder, wie er mit eingeschlagenem Schädel mitten im Altarraum des Doms lag. Sie schauderte. Das durfte einfach nicht sein. Sie war völlig überdreht!
    Entschlossen setzte sie sich auf ihr Bett, streifte ihre Schuhe von den Füßen und lockerte die Schnürung ihres Kleides. Sie musste versuchen, etwas zu schlafen. Wem nützte es, wenn sie die ganze Nacht aufblieb?
    Marysa zog sich bis auf ihr dünnes ärmelloses Untergewand aus und schlüpfte unter die Decke. Um die flackernde Flamme der Kerze tanzten Motten und eine Schnake, dennoch löschte sie das Licht nicht. Sie starrte zum Betthimmel hinauf und lauschte dem Zirpen der Grillen vor dem Fenster.
    Anstatt sich zu entspannen, spürte sie, wie ihre innere Unruhe ständig zunahm. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus und stand wieder auf. Sie nahm die Kerze und verließ die Schlafkammer.
    Erst wollte sie hinunter in die Küche, doch dann überlegte sie es sich anders und tappte an den winzigen Gesindekammern vorbei zu einem der beiden großen Zimmer, die zum Büchel hinausgingen. Die Dielen knarrten leise unter ihren nackten Füßen.
    In dem Raum standen nur das Gestell eines alten Spannbetts und ein vergessener Putzeimer. Marysa drehte ihn leise um und stellte die Kerze darauf ab. Dann stieß sie die Fensterläden auf und lehnte sich hinaus. Auch hier ertönte ein vielstimmiges Grillenkonzert, und eine warme Brise strich ihr ums Gesicht. Die Abfälle in den Rinnsteinen verströmten den üblichen fauligen Geruch, heute jedoch so gedämpft, dass er kaum störte. Der Regen der vergangenen Tage hatte den meisten Unrat fortgespült.
    Wo mochte Reinold nur hingegangen sein? Was hatte er vorgehabt, als er am Mittag Jaromir mit dem Verkaufsstand allein gelassen hatte?
    Vom Marktplatz her vernahm sie das Grölen eines Betrunkenen, der sich ihrem Haus näherte. Dann eine weitere dunkle Stimme, die den Singenden grob zurechtwies. Wahrscheinlich hatte die Stadtwache den Zecher aufgegriffen und brachte ihn nach Hause. Als sie Schritte hörte und im nächsten Moment die Schatten der beiden Männer auftauchen sah, wich sie schnell zurück.
    Der Betrunkene lallte Unverständliches, was der Wachmann mit einer unfreundlichen Zurechtweisung beantwortete. Marysa trat erst wieder näher ans Fester heran, als die Schritte der beiden fast

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