Die Stadt der Könige: Der geheime Schlüssel - Band 2 (kostenlos bis 14.07.2013) (German Edition)
dass er ihm diese Entscheidung abgenommen hatte? Wieso hatte er so eine Entscheidung treffen müssen? Wieso hatte ihn Hilmar alleine in dem Turm zurückgelassen? War das die angemessene Strafe für einen, der seine Tochter liebte? Für einen Unwürdigen der seine Tochter liebte, verbesserte er sich. Am liebsten wäre er schreiend in den Wald gelaufen.
Wer bin ich, dachte er. Langsam ging er den Hang hinunter. Der Schnee knirschte leise unter seinen Füßen, und der kalte Wind belebte seine müden Lebensgeister. Er liebte, er hasste, er trauerte. Er fühlte sich schuldig.
Früher hatte es einen Platz für ihn in dieser Welt gegeben. Früher wusste er, wer er war und wo er hingehörte. Heute war er ein falscher Baron von Wasserfurt. Ein Vertriebener. Ein Heimatloser. Ein Freund der Mächtigen. Und doch war er nicht gut genug, um ihre Töchter lieben zu dürfen. Elbenmischling. Zwischen den Häusern sah er ihr Kleid im Wind wehen. War sie allein? Verzweifelt wünschte er sie in seine Arme, aber er wusste, dass er sie verloren hatte. Der Zauberer hatte sie entführt. Er hatte sie von ihm weg gerissen. Sie für immer entzweit. So sehr Philip die Heimlichtuerei verabscheut hatte, heute wünschte er sie sich zurück. Ihm fehlte Arinas Nähe und er wünschte sich, Trost und Vergessen in ihren Armen zu finden. Er war allein. Niemand, mit dem er sprechen konnte. Keiner, der ihn verstand.
„Du siehst furchtbar aus.“ Olaf legte ihm die Hand auf die Schulter und grinste.
„Ich bin furchtbar“, antwortet Philip und versuchte zu lächeln, aber es misslang.
„Du grämst dich immer noch wegen dieser verlausten Gnome?“
„Unter anderem.“
„Wir haben ihnen einen sauberen Tod beschert, das ist mehr, als sie von ihrem Meister erwarten konnten. Mal abgesehen von dem Schaden, den sie angerichtet hätten, wenn sie mit einem Messer in der Hand durchs Land gelaufen wären.“
„Das weiß ich alles. Trotzdem ändert es nichts an der Tatsache, dass sie noch Kinder waren. Ich habe sie hingerichtet.“
„Was sagt der Graf dazu?“, fragte Olaf.
Philip zuckte mit den Schultern. „Gar nichts, der hat andere Sorgen.“
„Ach ja! Der muss seine Prinzessin behüten.“ Olaf lachte schallend. „Als meine Schwester sagte, sie wolle heiraten, hat mein Vater getobt. Er hat den Taugenichts verflucht und hätte ihn am liebsten aus dem Dorf geprügelt. Heute saufen sie zusammen und meine Schwester räumt ihren Dreck weg.“ Er klopfte Philip aufmunternd auf die Schulter. „Er beruhigt sich bestimmt. Du bist immerhin sein Nachbar, der Baron von Wasserfurt.“
„Pf“, machte Philip abfällig, aber er widersprach nicht. Er hatte genug von diesem geliehenen Leben, doch er schaffte es selbst Olaf gegenüber nicht, es vollständig abzustreifen. „Es ist nur ein Titel, er bedeutet nichts. Mir nicht und ihm nicht. Gebe es da nicht etwas, das nur ich für Hilmar herausfinden könnte, hätte er mich niemals auf diese Reise mitgenommen.“ Er brach ab und hob hilflos die Arme.
Olaf sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. „Ich kenne den Grafen schon mein Leben lang. Er ist misstrauisch, er ist vorsichtig und er verschenkt sein Vertrauen nicht unbedacht. Wenn er dir nicht bedingungslos vertrauen würde, hätte er dir niemals das Kommando am Turm überlassen.“
„Aber so ein Turm voller Gnome ist was anderes als Arina.“
„Du hast sie gefunden und gerettet“, gab Olaf zu bedenken.
„Und noch nicht einmal das stimmt. Sie hat mich gerettet. Sie hat dem Zauberer das Schwert in den Rücken gestoßen.“
„Du willst wohl kein Held sein?“, fragte Olaf. „Komm mit und hör, was sich die Männer hier für Geschichten über die wundersame Rettung erzählen.“ Er packte Philip am Arm und zog ihn mit in einen dämmerigen Schuppen.
Viele Männer hatten dort ihr Nachtlager aufgeschlagen. Manche schliefen noch, aber einige waren schon wach und tuschelten miteinander. Sie sprachen über ein Licht im Dunkeln. Über eine Lichtgestalt, die ihnen den Weg gewiesen hatte. Sie sprachen über einen, der sehen konnte, als alle anderen im Dunkeln tappten. Einen Hoffnungsträger in der Finsternis, der mit einem Streich das Mädchen befreit hatte. Der mit dem Zauberer gerungen hatte, ehe er ihm das Messer in die Brust stach. Sie sprachen von ihm. Philip schüttelte den Kopf. Nur einen Tag nach diesem Kampf erzählten sich die Menschen bereits Märchen. Einer der im Dunkeln geleuchtet hatte. Wie kamen sie nur darauf? Und das Messer, das er seinem
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