Die Stadt der Könige: Der geheime Schlüssel - Band 2 (kostenlos bis 14.07.2013) (German Edition)
diese Stelle hier bekam.
Siebzehn Jahre lauschen und schleichen hatten sie mit dieser Vermutung nicht weitergebracht. Doch heute diese unkontrollierte Reaktion und die gemurmelten Worte -
Wusste der Archiepiskopos mehr, als sie ahnte?
Die uniformierten Männer, die vor der Tür gewartet hatten, waren hereingebeten worden. In Demut knieten sie vor dem Oberhaupt der Kirche.
„Berichtet mir von den Truppen des Königs“, herrschte der Archiepiskopos sie an. Elfrieda unterdrückte ein resigniertes Stöhnen. Sie hatte in letzter Zeit so viel über die Bewegungen des königlichen Heeres erfahren, dass sie vermutlich einen besseren Überblick über seine Streitmacht hatte als der König selbst. Nur warum er sich im Monastirium Wilhelmus aufhielt, verstand sie nicht. Dass er, wie hier im Haus die gängige Meinung war, der Kirche den Krieg erklären wollte, schien keineswegs der Fall zu sein, zumindest vorerst nicht. Offensichtlich suchte er wirklich Elben. Aber zu welchem Zweck?
Was für ein Unglück, dass Theophil tot war, und Elomer. Beide hatten den Auftrag gehabt, die Vorgänge rund um das Königshaus im Auge zu behalten.
„Ist der König immer noch in Wilhelmus?“, fragte der Archiepiskopos.
„Ja, Eminenz. Seit dem Tod des Abts hält er das gesamte Monastirium in Atem.“
„Dann setzt ihn unter Arrest. Ich habe mir das jetzt lange genug angesehen. Was ist mit dem neuen Abt?“
Elfrieda summten die Ohren. Sie stand stocksteif da. Sie hörte die Stimmen, aber sie war unfähig ein weiteres Wort aufzunehmen. Seit dem Tod des Abts - summte es in ihren Ohren. Benidius war also wirklich tot? Der Tod des Abts! Tot, tot – aus und vorbei. Die Schönen bringen den König wieder, aber der Abt war tot. Benidius war tot. Tot, und sie wusste es nicht. Lauschen, Schleichen und ihr sicheres Gespür für Leben und Tod – trotzdem wusste sie das Wichtigste nicht. Wer hatte ihn von seinem Leben getrennt, plötzlich und unerwartet? Noch ein Freund tot. Elomer, Theophil, Benidius …
Sie taumelte zurück, schloss die Tür und setzte sich auf die kleine Leiter, die hinter ihr stand. Ihr Kopf dröhnte und ihre Augen brannten von ungeweinten Tränen. Ihre Finger nestelten rastlos an ihrer Schürze. Dann stand sie ruckartig auf. Die Leiter kippte und fiel krachend zu Boden, aber Elfrieda beachtete sie nicht, sondern eilte aus dem Kämmerchen, das sie zu erdrücken drohte. Blind und taub lief sie die Gänge entlang. Sie schnappte sich den ersten untätig herumstehenden Putzeimer und begann den Boden zu schrubben. All ihre Trauer versuchte sie durch Arbeit zu betäuben. Als sie schließlich spät abends mit müden Gliedern in ihrem harten Bett lag, konnte sie die Augen nicht schließen. Sie starrte in die Dunkelheit. Benidius´ freundliches Gesicht lächelte sie milde an. Die Starre, die ihr Herz umgeben hatte, begann zu weichen und eine Träne – Vorbote einer ganzen Flut – kullerte über ihre Wange.
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In einer Ecke hatte sie ein Buch gefunden, dass sie sofort in seinen Bann gezogen hatte. Die Schriftzeichen waren steil und schmal und von unglaublicher Gleichmäßigkeit. Die Seiten des Buches glänzten matt und erinnerten an Perlmutt, ebenso der Einband, der von einem zarten Eierschalenweiß bis hin zu einem matten Rosa schimmerte. In silberglänzenden Buchstaben stand auf dem Deckel Ardea´lia .
Die erste Geschichte in dem Buch handelte vom Engelsee, den Elfrieda, obwohl sie nur wenige Meilen davon entfernt wohnte, nur einmal gesehen hatte.
Schon nach wenigen Worten kauerte sie sich, vollkommen im Bann des Buches, in eine Ecke. Die Tür öffnete sich so leise, dass sie es nicht hörte und erst aufsah, als der Priester in seinem langen schwarzen Umhang vor ihr stand. Elfrieda erschrak, schlug das Buch zu und versuchte es so schnell wie möglich in einem Regal verschwinden zu lassen. Ihre Wangen brannten vor Scham und sie wagte es nicht, den Priester anzusehen. Hastig schnappte sie ihr Staubtuch und versuchte, sich mit einem Knicks zu entfernen, aber da packte er sie am Arm und zwang sie, ihm in die Augen zu sehn.
„Wusste ich´s doch. Wie lange geht das schon? Wer hat es dir beigebracht?“
„Nein, ehrwürdiger Vater. Ich hab es bloß abgestaubt. Ich putze immer fleißig …“ Sie spürte, wie ihre heißen Wangen noch heißer wurden und ihre Ohrmuscheln zu pochen begannen.
„Hat man dir nicht beigebracht, dass du nicht lügen sollst“, fragte der Priester vorwurfsvoll.
„Das hat man.“
„Wer lehrte dich
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