Die Stadt der Könige: Der geheime Schlüssel - Band 2 (kostenlos bis 14.07.2013) (German Edition)
losreißen. Sie fühlte sich entspannt und beinahe sorgenfrei, wenn sie in das Gesicht dieses Kindes sah, es in ihren Armen wiegte oder fütterte. Wandte sie sich ab, schien die Welt grauer zu werden und all das, was ihr das Leben schwer machte, stürzte wieder auf sie ein.
Ein Blick in ihre verheerend aussehende Küche ermahnte sie, trotzdem an die Arbeit zu gehen. Mit ihrem rauen Finger strich sie dem schlafenden Kind noch einmal über die Wange.
Im Spülstein lag das Geschirr von Josuas kleiner Geburtstagsfeier. Philip hatte heute auch Geburtstag. Aber er war nicht da.
Der Gedanke an ihn ließ Phine einen Klos in ihrem Hals spüren. Wie lange war er fort? Sie atmete schwer ein und aus und machte sich daran, das Geschirr zu spülen.
Niemals hätte sie den Jungen gehen lassen dürfen. Wochen voller Angst lagen hinter ihr, da sie mehr als einmal gespürt hatte, wie andere Mächte nach ihm griffen. Er war ein Spielball des Schicksals gewesen, das ihn bis vor die Pforte des Todes geführt hatte. Einmal hatte sie über viele Stunden jede Verbindung zu ihm verloren, ehe er ins Leben zurückgeschickt worden war.
Gerne hätte sie sich eingeredet, dass ein Albtraum sie in jener Nacht heimgesucht hatte, aber sie wusste es besser. Sie hatte es schon immer gewusst.
Durch die Kraft, die ihr innewohnte, konnte sie das Leben genauso spüren wie den Tod.
Zum ersten Mal hatte sie es als Kind gespürt, doch die Erfahrung war so schrecklich gewesen, dass sie sich dieser Kraft gegenüber verschlossen hatte. Trotzdem war sie nicht zufällig Hebamme geworden. Mit traumwandlerischer Sicherheit wusste sie, was eine Mutter in der Stunde der Geburt brauchte. Was das Kind brauchte, um in dieses Leben zu treten.
Als Jar´jana sie zum ersten Mal Nate´re genannt hatte, kam ihr die Bezeichnung bekannt vor. Auch wenn sie es damals nicht wahr haben wollte, so hatte allein dieser Name eine schlummernde Seite in ihr geweckt.
Leron´das hatte ihr mehr von diesem göttlichen Wesen berichtet, das er in ihr sah, und ihre Kraft war gewachsen. Seither ließ sie oft nachts ihren Geist schweifen und erkannte Dinge, vor denen sie sich bisher gesperrt hatte.
Über Meilen hinweg konnte sie Kinder in dieser Welt begrüßen und Müttern in den schweren Stunden der Geburt, in denen sie Schmerzen und Zweifel plagten, beistehen.
Was ihr jedoch am wichtigsten erschien; auf diesem Weg konnte sie ihre innere Verbindung zu Philip zu stärken.
Darum wusste sie, dass es ihm jetzt gut ging und, dass er in Sicherheit war. Sie kannte sogar den Ort, an dem er sich befand. Aber er war so weit weg.
Nach einem Blick in den Garten, wo die Zwillinge Jaris und Jaden tobten, holte sie den Sack mit den Gurken von der Hintertreppe und machte sich daran, sie zu waschen und in Fässchen zu schichten. Ihre Gedanken schweiften in die Vergangenheit.
Als sie damals vor siebzehn Jahren, Feodor in Corona kennenlernte, wusste sie sofort, dass sie ihn heiraten wollte. Konzentriert und gewissenhaft hatte er an seinem Meisterstück gearbeitet. Die Jahre des Wanderns waren für ihn vorbei. Corona war seine letzte Station. Danach wollte er wieder nach Hause gehen und die Schmiede seines Vaters übernehmen.
Oft war sie unter irgendeinem Vorwand in die Schmiede gegangen und hatte ihm bei seiner Arbeit zugesehen, immer in der Hoffnung er würde sie einmal liegen lassen und sich nur mit ihr unterhalten. Als er das dann wirklich tat, fasste er ihre Hand und fragte sie, ob sie mit ihm nach Waldoria gehen wollte. Im ersten Augenblick war sie sprachlos, aber dann nahm er auch ihre zweite Hand und in seinen Augen konnte sie all das sehen, was er nicht gesagt hatte und sie sah noch mehr. Alle ihre Söhne konnte sie in seinen Augen sehen und all seine Liebe.
„Nur deshalb bin ich hier“, hatte sie ihm geantwortet.
Ein Lächeln huschte bei dieser Erinnerung über ihr Gesicht.
Einige Tage lang waren sie überglücklich gewesen. Heimlich trafen sie sich in den Wäldern vor der Stadt oder fielen sich in dunklen Nischen in die Arme, ehe Feodor behauptete, es würde keinen Grund für dieses Versteckspiel geben, und bei ihrer Großmutter um ihre Hand anhielt .
Gradlinig war er damals gewesen und so war er heute noch.
Phine fachte das Feuer an und stellte einen Topf mit Wasser auf den Ofen. Dann begann sie, den Dill fein zu hacken und den Meerrettich zu putzen. Ihre Gedanken schweiften in die Ferne. Als wäre es erst gestern gewesen, sah sie das Gesicht ihrer Großmutter vor sich.
Auf
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