Die Stadt der Könige: Der geheime Schlüssel - Band 2 (kostenlos bis 14.07.2013) (German Edition)
gegen die Lippen, während er seine Frau nachdenklich musterte. „Was willst du mit mir besprechen?“
Phine lächelte. Er kannte sie einfach viel zu gut.
„Es geht um mich oder vielmehr um die Norne, die ich scheinbar bin“, sagte sie ohne Umschweife.
Ein Schleier legte sich über Feodors Augen, aber er wandte seinen Blick nicht ab. Er nickte langsam.
„Ich habe dir nie von der Kraft erzählt, die ich in mir spüre. Damals, als ich es hätte sagen müssen, fürchtete ich mich selbst davor und später … Du weißt, wie das ist. Wenn man den Zeitpunkt verpasst hat, wird es immer schwerer, und es scheint auch keinen passenden Moment mehr zu geben.“ Sie seufzte. „Als meine Großmutter uns beiden sagte, wer ihr Vater ist hatte ich Angst, es könnte zwischen dir und mir stehen. Sogar heute habe ich noch Angst davor.“ Sie sah ihn scheu lächelnd an.
Er griff über den Tisch nach ihrer Hand und drückte sie. „Ich war schon überrascht, als Leron´das vor dir niederkniete“, gestand er. „Vor den Kopf gestoßen fühlte ich mich und ich glaubte einen Moment lang, dich nicht zu kennen. Aber seitdem habe ich oft darüber nachgedacht. Die Wahrheit ist, ich wusste immer, dass du etwas ganz Besonderes bist und das nicht nur für mich. Alle Frauen hier in Waldoria wissen es. Wenn du ihnen beistehst, kann nichts schief gehen.“ Er senkte seinen Blick auf die rissige Tischplatte. „Ich wurde in dem Glauben an einen allmächtigen Gott erzogen, der sich um alle Bedürfnisse hier auf Erden kümmert. Doch wenn ich dich ansehe, Phine.“ Ihre Blicke trafen sich. „Wenn ich dich ansehe, dann weiß ich, dass es mir leichter fällt, an dich als an ihn zu glauben.“
„Ich bin mir manchmal selbst noch fremd, aber ich möchte herausfinden, was ich bin und was ich kann.“
„Wenn ich dir dabei helfen kann, werde ich es tun“, versicherte Feodor.
Phine stand auf, ging um den Tisch herum und nahm ihren Mann in die Arme. „Ich danke dir“, hauchte sie und er drückte sie fest an sich.
Es gab keine Zeit mehr. In seinen Armen verschmolz die Vergangenheit mit der Zukunft und die ganze Welt war so, wie sie sie sich wünschte. Doch dann löste sich der Druck seiner Arme und die Wirklichkeit sickerte an die Oberfläche.
„Philip hat heute Geburtstag. Weißt du, wie es ihm geht?“, fragte Feodor.
„Es geht ihm gut, dort wo er ist“, antwortete Phine.
„Wir hätten mit ihm reden müssen, bevor er in den Wald gegangen ist. Ich weiß, dass wir gesagt hatten, wir warten mit allem, bis er erwachsen ist. Aber jetzt ist er offiziell erwachsen und er ist nicht da.“
„Es ist besser für ihn, wenn er nicht alles weiß. Es gibt auch so schon genug, was ihn aus der Bahn wirft.“
„Wenn er alles wüsste, wäre es bestimmt leichter für ihn, seinen Weg zu finden“, wandte Feodor ein.
Phine schloss die Augen und schüttelte den Kopf. „Heute ist er erwachsen, aber gestern war er noch ein Kind. Ich wage nicht, mir auszumalen, was geschieht, wenn er diesen Weg tatsächlich geht.“
„Er ist schon lange kein Kind mehr, aber sobald es um ihn geht, mein Herz, bist du blind wie ein Maulwurf. Ich verstehe, dass du ihn beschützen willst, vor den verschlungenen und dunklen Pfaden auf seinem Lebensweg, aber er hat sie längst betreten. Als gute Eltern sollten wir zumindest versuchen, ihm eine Fackel zu reichen.“ Feodor sah Phine ernst an.
Sie schmunzelte wegen der bildlichen Worte, die er verwendete.
„Ich werde Benidius schreiben“, versprach sie. „Die Männer vom Schlüssel haben bessere Möglichkeiten, Nachrichten spurlos zu verschicken.“
Am frühen Morgen hing der Nebel noch in der Luft, doch nach und nach kämpfte sich die Sonne durch und es wurde ein milder Tag, der den Herbst, der vor der Tür stand, bereits ankündigte.
Phine hatte den Brief an den Abt Benidius auf die Reise geschickt und ging nun mit Lume´tai auf dem Arm hinunter zum Teich. Jaris und Jaden spielten in der Nachbarschaft, Johann und Josua waren noch in der Schule und Jacob kam jetzt immer erst abends heim, denn er hatte sich entschieden, eine Lehrstelle anzunehmen.
Für Phine gab es heute keinen Grund zur Eile. Das Mittagessen musste sie bloß aufwärmen, alles andere konnte warten. Sie genoss die schräg einfallenden Sonnenstrahlen, als sie über die Streuobstwiese schlenderte. Das Gras war feucht und benetzte ihre Schuhe und den Saum ihres Kleides. Das Tuch, das sie sich heute Morgen um die Schultern gelegt hatte, wurde ihr bereits zu
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