Die Stadt der Könige: Der geheime Schlüssel - Band 2 (kostenlos bis 14.07.2013) (German Edition)
legte die Feder beiseite.
Das war ein Anhaltspunkt. Ein begründeter Verdacht. Er bewies nichts. Schon gar nicht, dass Philmors Jüngster – Peredur – überlebt hatte.
Er schob das Pergament zur Seite und griff nach dem nächsten Buch auf seinem Stapel. Es war eines der hässlichsten Bücher in der Bibliothek. Die Seiten waren lose zusammengenäht und in den Umschlag aus braunem Schweinsleder war linkisch „Berichte“ eingekratzt worden. Darunter die Jahreszahlen 845-850 n.d.G.A. (nach der Gründung von Ardelan).
Philip schlug die erste Seite auf.
„Die dunkeln Jahre des Krieges haben begonnen. Achthundertdreiundzwanzig Bauern führe ich aus der Säbelau in die Schlacht.“
Philip blätterte nach hinten. Auf der letzten Seite des Buches stand: „Hundertdreizehn Männer, davon siebenunddreißig Verstümmelte, bringe ich nach fünf Jahren Krieg in die Säbelau zurück.“
Es war sehr anstrengend in diesem Buch zu lesen. Die Schrift ließ zu wünschen übrig. Vieles war verwischt, manches unvollständig und es gab keine rechte Ordnung. Trotzdem handelte es sich bei diesem Buch um einen wahren Schatz. Es existierte nur einmal und nur hier in dieser Bibliothek. Es war in den Kriegsjahren geschrieben worden, wahrscheinlich in den Ruhepausen zwischen den Schlachten. Ob Hilmar es schon gelesen hatte? Philip legte das Buch auf den Tisch und ging zum Fenster.
Unten in Hof kam Arina aus dem Haus und lief auf die Ställe zu. Ein Stallbursche brachte ihr ein Pferd. Die Sonne schien und plötzlich wurde Philip bewusst, was für ein Stubenhocker er geworden war. Bevor er wusste, was er tat, riss er das Fenster auf.
„Arina!“
Sie drehte sich um.
„Kann ich mit dir reiten?“
Sie lachte. „Wenn du dich beeilst.“
„Ich fliege!“, rief Philip zurück, schloss hastig das Fenster, stürmte durch die Tür in sein Zimmer, wo er sich seine grobe Hose und die Reitstiefel anzog. Im Vorbeigehen schnappte er sich noch eine Weste und rannte die Treppen hinunter.
Es tat gut, den eigenen Körper zu spüren. Mit langen Schritten nahm er immer zwei Stufen gleichzeitig und sprang die letzten fünf hinunter. Ein Rums ging durch die Eingangshalle. Philip erreichte die Tür, riss sie auf und warf sie hinter sich ins Schloss.
„Bin schon da“, rief er und eilte zum Stall.
„Dein Pferd wird noch gesattelt“, sagte Arina und sah ihn fröhlich an.
„Danke, dass du gewartet hast“, keuchte Philip.
„Bei dem herrlichen Wetter mitten im Dachsmond hätte ich dich nicht in der Bibliothek versauern lassen können. Kommst du weiter?“
„Heute habe ich zum ersten Mal etwas Brauchbares gefunden.“ Philip hechelte immer noch.
„Wonach suchst du?“, fragte sie neugierig.
Er kräuselte die Stirn. Hatte Hilmar seiner Tochter nicht erzählt, wonach er suchte?
„Geschichte“, antwortete er beiläufig.
„Wieso?“, fragte sie.
Philip entschied sich für die halbe Wahrheit und nahm sich vor, mit Hilmar zu sprechen.
„Ich habe es meinem Lehrer in Waldoria versprochen. Da ich nicht nach Wilhelmus reisen kann, hat dein Vater mir angeboten, es hier bei euch zu tun.“
„Wie edel von meinem Vater.“ Arina streckte ihre Nase in die Luft und wandte sich ab.
„Das war wirklich sehr großzügig von ihm“, bestätigte Philip, auch wenn er wusste, dass er sich damit ihren Zorn zu zog. Aber offensichtlich war Arina heute nicht bereit, sich ihre Laune verderben zu lassen. Als sie ihr Pferd bestiegen hatte, lächelte sie Philip an.
„Auf geht’s. Ich freue mich schon darauf, das Donnern der Hufe zu hören und den weiten Himmel über mir zu sehen.“
„Nichts wie los“, rief Philip und schwang sich ebenfalls in den Sattel. Als er endlich seine Steigbügel gefunden hatte, trabte Arina bereits zum Tor hinaus. Erós ließ sich nicht lange bitten. Er setzte nach, doch Philip hielt ihn zurück.
„Lass den Esel aus dem Stall“, rief er dem Stallburschen zu.
Sie holten Arina erst ein, als diese über die Brücke ritt.
„Du und dein Esel“, lachte sie, als Lu in gestrecktem Galopp unter den Silberpappeln an ihnen vorbei lief.
Philip antwortete nicht, aber er lachte auch. Nach einer Weile fand er in den Rhythmus des Pferdes. Arina sah ihn kopfschüttelnd von der Seite an.
„Du brauchst dringend ein paar Reitstunden. So wie du das Tier im Maul zerrst, ist es ein Wunder, dass es dich noch nicht abgeworfen hat.“
„Ich habe es vor dem Metzger gerettet und ihm einen würdevollen Namen gegeben. Das weiß es scheinbar zu
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