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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Nonne gegen eine Hure kämpfen sehen. Falls die Fremde siegt, soll sie ihre Habe zurückbekommen. Andernfalls darf unsere Dicke mit ihr machen, was sie will. Wie wäre das?»
    Der Vorschlag des Bettlers fand Beifall. Die Männer und Frauen wichen zurück, bis sich nur noch Cäcilia und die Pockennarbige gegenüberstanden. Diese starrte Cäcilia siegesgewiss an. Dann bückte sie sich nach dem Bündel und warf es ein Stück weit hinter sich ins Stroh. «Hole es dir, Betschwester. Wenn du es schaffst, an mir vorbeizukommen, kannst du es behalten!»
    Cäcilia schluckte schwer; ihre Finger fuhren hinauf zum Hals und ertasteten die aus winzigen Perlen geknüpfte Kette, an der ihr Kruzifix hing. Mit einem Aufschrei schoss sie vorwärts, den Kopf wie ein Rammbock geneigt. Sie stieß ihn in den Bauch der Hure, die überrumpelt die Luft ausstieß und taumelte. Doch die Schrecksekunde der Frau dauerte nur einen Moment. Sie packte Cäcilias Bein und brachte sie zu Fall, als diese versuchte, an ihr vorbeizukommen. Cäcilia stöhnte auf. Die Pockennarbige warf sich über sie und versetzte ihr einen Fausthieb ins Gesicht. Cäcilia gelang es gerade noch, die Beine anzuwinkeln und ihre Gegnerin von sich zu stoßen, bevor diese sie unter ihrem ganzen Gewicht begraben konnte. Ihr Tritt fiel nur schwach aus, verschaffte ihr aber Zeit, sich zur Seite zu rollen und an einem Balken in die Höhe zu ziehen. Nun stand sie wieder aufrecht. Ihr Gesicht brannte wie Feuer an der Stelle, wo der Schlag sie getroffen hatte; mit der Zunge tastete sie nach ihren Zähnen und schmeckte Blut. Wenigstens hatte sie nicht die Besinnung verloren. Die Hure kam erneut auf sie zu. Die Hände zu Fäusten geballt, traktierte sie sie mit Schlägen, denen Cäcilia nur mühevoll auswich, indem sie hinter dem Balken Schutz suchte. Da bekam die Hure ihren Arm zu fassen. Sie zerrte sie hinter dem Stützbalken hervor und schleuderte sie wie einen Sack ins Stroh. Cäcilia stützte sich auf die Ellbogen, versuchte davonzukriechen, wurde jedoch an beiden Fußgelenken gepackt, geschüttelt und quer über den Lehmboden gezerrt. Sie spürte, wie ihre Haut an den Beinen aufriss; der Schmerz war so höllisch, dass ihr die Tränen in die Augen schossen. Ihre Finger versuchten am Boden Halt zu finden. Als die Hure sie jedoch im Genick packte und herumriss, um sie zu würgen, warf sie der Frau eine Handvoll Sand, Lehm und Stroh in die Augen. Der Schrei, den die Hure ausstieß, bestätigte Cäcilia, dass sie getroffen hatte. Im nächsten Moment stand sie auf ihren Füßen und versetzte nun ihrerseits ihrer Gegnerin einen kräftigen Stoß mit dem Ellbogen in die Seite, welcher der Hure den Atem nahm. Die Frau tappte rückwärts; sie fauchte vor Wut. Mit ausgebreiteten Armen, doch nahezu blind, stürmte sie auf Cäcilia zu, aber dieses Mal gelang es dieser, die Keifende ins Leere laufen zu lassen.
    «Wo bist du, du Miststück?», krächzte die Frau, weiß vor Zorn.
    Blitzschnell bückte sich Cäcilia nach der Schaufel, die neben dem rauchenden Becken lag, und schleuderte ein paar der glühenden Holzkohlestücke nach der wütenden Angreiferin. Diese kreischte wie eine Furie, als die heiße Kohle sie im Gesicht traf. Sie hob schützend die Arme. Ihre Schreie gingen in ein Wimmern über. Ein letzter Versuch, nach Cäcilia zu greifen, wurde durch einen wohlplatzierten Schlag mit der Schaufel vereitelt, der die Frau auf dem Boden niederstreckte. Ohnmächtig blieb sie liegen.
    Cäcilia ließ die Schaufel fallen. In ihrem Schädel brummte es wie in einem Bienenkorb, und ihre Knochen schmerzten furchtbar. Sie fühlte sich wie ein geprügelter Hund, aber als die Umstehenden in grölendes Geschrei ausbrachen, begriff sie, dass sie den Zweikampf nicht nur überlebt, sondern auch gewonnen hatte. Dankbar berührte sie ihre Kette.
    Langsam begab sie sich zu der Stelle, wo die Frau ihr Bündel hingeworfen hatte, und bückte sich danach. Erleichtert bemerkte sie, dass das Buch keinen Schaden genommen hatte.
    Ein Würfelspieler kicherte vergnügt, als sie an das Kohlebecken zurückkehrte. Er reichte ihr einen bis zum Rand gefüllten Becher Würzwein. Cäcilia zögerte, doch dann schluckte sie ihren Ekel vor dem schmutzigen Gefäß hinunter und trank. Ihre Kehle tat ihr so weh, dass sie sogar Wasser aus einem Sumpf getrunken hätte.
    «Du hast gekämpft wie eine Löwin um ihr Junges», sagte der Mann anerkennend. «Hast du das Buch wirklich aus einem Kloster gestohlen?»
    Cäcilia runzelte die Stirn.

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