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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Gelächter und einige spöttische Wörter, aber den Mann sah er nicht mehr. Er war wie vom Erdboden verschluckt. Griet lief ein Stück in Richtung Torbogen, unter dem sie den Mann und die verschleierte Dame hatte verschwinden sehen, doch musste sie nach wenigen Schritten einsehen, dass eine Verfolgung zwecklos war. Unter ihren Sohlen knirschte der Schnee, aber es war unmöglich, der Spur eines Einzelnen zu folgen. Wir haben sie verloren, dachte sie verzweifelt. Und das, nachdem wir ihr und dem Buch schon so nahe gewesen waren.
    Griet kehrte um und eilte zu Don Luis zurück, der vor Wut darüber, dass ihm der spanische Soldat entwischt war, kochte. Neben ihm stand der kleine König. Griets Blick wanderte an der grauen Fassade des Hauses empor. Die ganze Nachbarschaft war auf den Beinen. Einige Männer bildeten unter Aufsicht des Brandwächters eine Kette mit Eimern, um das Feuer zu bekämpfen, doch ins Haus selbst wagte sich keiner von ihnen. Eine hohe Leiter wurde herbeigeschafft und gegen die Mauer gelehnt. Griet hörte, wie ein paar Männer ihren Frauen auftrugen, nach Hause zu laufen und ihre wertvollste Habe in Bündel zu packen und ins Freie zu schaffen. Sie musste zurückspringen, als eine erste mit mehreren Klaftern Brennholz, Bettzeug und Zinngeschirr beladene Schubkarre an ihr vorbeigezogen wurde.
    Nur einen sah sie in dem allgemeinen Durcheinander nicht: Paulus Dorotheus. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als sie nach ihm fragte.
    «Dieser Wahnsinnige verkriecht sich wie ein Fuchs in seinem Bau», antwortete ein kahlköpfiger Mann, der ihre Frage aufgeschnappt hatte. «Er wird mitsamt seinen nutzlosen Büchern verbrennen. Und wenn die heilige Jungfrau Maria nicht hilft, steht trotz des Schnees bald das ganze Viertel in Flammen.» Don Luis blickte den Kahlköpfigen mit finsterer Miene an.
    «Wir müssen ihn da rausholen», schluchzte der kleine König. Fassungslos starrte er auf die Fenster in dem windschiefen Fachwerkhaus, dessen Schindeldach sich nach oben hin spitz verjüngte. Aus dem kleinen Pferch an der Südseite des Hauses war das schrille Quieken eines Schweins zu hören. Ein paar Frauen öffneten das Gatter und trieben das Tier mit Stöcken hinaus. Sie hatten es kaum in einen Stall auf der anderen Seite der Gasse gescheucht, als im Haus des Buchhändlers ein Fenster aufgestoßen wurde. Ein gespenstisches Gelächter ertönte. Im nächsten Moment flatterten Dutzende von losen Buchseiten auf die Straße hinunter.
    Don Luis zögerte nicht länger. Da keiner der Umstehenden zu bewegen war, mit ihm ins Haus zu gehen, nahm er einem alten Weib den Eimer aus der Hand und befeuchtete mit dem Wasser sein Wams und seinen Umhang. Die Frau riss ein Stück ihrer Schürze ab und reichte es ihm, damit er es sich vor Mund und Nase binden konnte.
    Griet folgte seinem Beispiel, verbot aber dem kleinen König, der schon im Begriff war, Don Luis hinterherzulaufen, das brennende Haus zu betreten. Sie war wie gelähmt, als sie das Wasser, mit dem sie Haube und Schultertuch tränkte, auf der Haut spürte. Entweder ich ersticke in dem Qualm, oder ich hole mir das Lungenfieber, dachte sie ergeben, als sie in den finsteren, schlauchartigen Flur eintauchte. Ängstlich suchte sie sämtliche Winkel nach Flammen ab, konnte aber noch keine entdecken. Das Feuer schien seine Nahrung allein in dem höhlenartigen Raum zu suchen, wo der Buchhändler voller Stolz seine besonderen Schätze aufbewahrte. Die Augen halb geschlossen, tastete sich Griet an der Wand entlang. Sie spürte, dass Don Luis direkt vor ihr ging, doch sehen konnte sie ihn nicht. Der Rauch biss sie entsetzlich in den Augen, und mehrmals stolperte sie über umherliegende Bücherstapel. Sie wollte nach dem Buchhändler rufen, bemerkte aber jäh, dass ihre Stimme versagte. Von Augenblick zu Augenblick schien es ihr fraglicher, ob sie diesen Ort lebend verlassen würde. Kurz darauf schlug ihr ein gewaltiger Hitzeschub entgegen.
    Don Luis zerrte wild an ihrem Ärmel, er wollte sie auf etwas aufmerksam machen. Griet folgte seinem Finger und erkannte durch die Rauchschwaden zu ihren Füßen ein Kruzifix an einer Kette, das auf dem Fußboden lag. Er hob es auf. Seine Hand schloss sich um das fromme Symbol, während Griet sich umwandte. Cäcilia. Sie musste es verloren haben.
    Don Luis keuchte heftig, als er die Tür zum Arbeitszimmer des Buchhändlers aufstieß. Hier brannten die hohen Regale an den Wänden lichterloh und mit ihnen all die Bücher, die der alte Mann wie seine

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