Die Stadt der schwarzen Schwestern
das werde ich tun. Sonst lässt der alte Geizkragen nicht den Gulden springen, den er mir versprochen hat. Das Essen kann ich mir später schmecken lassen.» Er lächelte verschämt. «Außerdem braucht das Hähnchen noch ein Weilchen, bis es gar ist. Die Köchin scheint mir nicht die Schnellste zu sein.»
Griet seufzte. Der Junge platzte schier vor Neugier und wollte sehen, was zwei Fremde wie sie und Don Luis mit dem alten Dorotheus zu schaffen hatten. «Na schön, dann komm eben mit», lenkte sie ein. «Aber wehe, wenn du uns Ärger machst.»
Der kleine König strahlte über das ganze Gesicht. Griet hätte schwören können, dass er Don Luis zublinzelte, worauf dieser kaum merklich die Augenbraue hob. Wie es aussah, hatten sich die beiden verbündet. Ehe Griet sich versah, eilten Don Luis und der Junge voraus, während sie aufpassen musste, auf dem rutschigen Boden nicht auszugleiten und zu stürzen.
Als sie in die Gasse mit den windschiefen Häuschen einbogen, zögerte Griet plötzlich, ihren Weg fortzusetzen. Eine böse Ahnung befiel sie, die stärker wurde, als sie inmitten des Windes den Geruch von Rauch wahrnahm. Don Luis und dem Jungen schien es nicht anders zu ergehen. Ganz in der Nähe brannte es, daran gab es keinen Zweifel. Der kleine König kämpfte sich flink an den Leuten vorbei, die aufgeregt aus ihren Häusern getreten waren.
Griets Befürchtung bestätigte sich, als sie das Haus des Buchhändlers erreichten. Aus einem der Straße zugewandten Fenster quoll Rauch, und Flammen schlugen ins Freie. Einen Augenblick lang starrte Griet benommen auf das brennende Gebäude, während Don Luis hektisch auf den Jungen einredete, der offensichtlich vorhatte, ins Haus zu laufen. Während der Spanier sich noch abmühte, ihn davon abzuhalten, wurde plötzlich die Tür aufgestoßen. Eine Gestalt tauchte im Türrahmen auf, ein Mann, der auf die Straße sprang und Griet beinahe umgerannt hätte. Ihm folgte eine Frau, deren Gesicht durch einen dunklen Schleier verborgen war. Einen Atemzug lang kreuzten sich Griets Blicke mit denen der Frau, dann wurde sie auch schon von ihrem Begleiter am Handgelenk gepackt und fortgerissen. In Windeseile rannten die beiden die Gasse hinunter und verschwanden jenseits eines Torbogens, bevor Griet auch nur Atem holen konnte.
«Mein Gott, das war Cäcilia», presste sie zwischen den Zähnen hervor. «Ganz bestimmt!» Don Luis fluchte wild auf Spanisch. Er ließ den Arm des Jungen los, der wild zappelte, und wollte die Verfolgung aufnehmen, als noch jemand aus dem brennenden Haus herausstürzte. Hustend hielt der Mann sich eine von Ruß geschwärzte Landkarte vors Gesicht. Er hinkte ein wenig, offensichtlich hatte er sich am Fuß verletzt, doch das hinderte ihn nicht daran, auf der Stelle die Verfolgung der ersten beiden aufzunehmen. Er hatte jedoch nicht mit Don Luis gerechnet, der ihm geistesgegenwärtig den Weg versperrte. Der Mann stieß einen ärgerlichen Laut aus, dem einige spanische Wörter folgten.
Don Luis runzelte die Stirn. Mit einer flinken Handbewegung entwendete er dem Fremden die Karte und blickte in ein paar eng zusammenstehende Augen, aus denen gleichermaßen Überraschung und Wut sprachen. Griet sog scharf die Luft ein. Diese hochmütigen Züge hatte sie schon einmal gesehen. Nicht in Brüssel, es war in Oudenaarde gewesen, ja, sie irrte sich nicht. Am Tag nach der Hinrichtung der Ratsherren, als sie sich mit ihrer Schwiegermutter zum Haus der Familie Osterlamm aufgemacht hatte. Zwei spanische Soldaten hatten sie damals bis vors Portal der Sint-Walburgakerk verfolgt, wo Don Luis sie gerettet hatte. Der Mann, der sie nun aus seinen kleinen Augen hasserfüllt anstarrte, war einer der beiden gewesen. Don Luis schien nun ebenfalls bemerkt zu haben, mit wem er es zu tun hatte, doch noch ehe er eine Erklärung fordern oder den Mann außer Gefecht setzen konnte, drängte sich eine Schar aufgeregter Männer und Frauen zwischen sie. Die Nachbarn schleppten bis zum Rand gefüllte Eimer vom Brunnen herbei und schütteten sie in den finsteren Hauseingang, um das Feuer zu löschen. Die Angst der Menschen, es könnte sich ausbreiten und auf ihre zum Teil mit Stroh gedeckten Häuser überspringen, war deutlich.
Der Spanier nutzte die Verwirrung, um einem alten Weib den Eimer zu entreißen und ihn auf Don Luis zu schleudern. Dieser wich dem Geschoss zwar geschickt aus und zog seinen Degen, doch im allgemeinen Gedränge verlor er ihn aus den Augen. Er hörte noch höhnisches
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