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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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sie einen wunden Punkt berührte. Ohne Eile rollte Griet das Reglement wieder zusammen und sandte ein stummes Dankgebet gen Himmel, weil Don Luis nicht da war und ihr über die Schulter schaute. Soweit Griet wusste, hatte der junge Spanier die Stadt verlassen, aber er hatte ihr nicht gesagt, wann er zurückkommen werde.
    «Ich kann Euch nur mein Wort geben, Frau Griet», erklärte Pamela kleinlaut. «Der Ring gehört mir. Ich schwöre es Euch bei der heiligen Agnes.»
    Griet zögerte immer noch. Don Luis würde sich nach seiner Rückkehr ihre Bücher ansehen und ihr mit unangenehmen Fragen zusetzen, dennoch kam es nicht in Frage, dass sie ein Geschäft ablehnte, nur weil der Spanier möglicherweise Vorbehalte hatte. Es gab noch ein Reglement, das wichtiger war als das, welches er ihr diktiert hatte, und dieses befand sich in ihrem Herzen.
    Sie nickte Pamela freundlich zu. «Euer Wort genügt mir. Sollte der Ring Euch ohne eigenes Verschulden abhandenkommen, erklärt sich das Haus Marx van Oudenaarde bereit, Euch mit einem Betrag in Höhe von zweihundert Dukaten zu entschädigen. Fühlt Ihr Euch damit ausreichend abgesichert, falls …»
    Sie sprach nicht weiter, denn sie hatte es sich zum ersten Gebot ihres Handels gemacht, nicht zu tief in die persönlichen Angelegenheiten eines Ratsuchenden zu dringen. Es genügte schon, dass diese ihr häufig unverlangt ihr Herz ausschütteten und freimütig über ihre Nöte, Ängste und Befürchtungen sprachen. Pamela war entgegen ihrem noch reichlich kindlichen Wesen doch so klug, zu verstehen, worauf Griet anspielte.
    «Meine Mitgift, zu der ich auch Vaters Ring zähle, wird es mir erlauben, im Haus meiner Brüder ein sorgenfreies Leben zu führen. Wenigstens so lange, bis jemand um mich anhält.» Sie lächelte schwach. «Sollte ich aber um meine Habe gebracht und aus dem Haus getrieben werden, so kann ich mich mit Eurer Entschädigung bei den Beginen einkaufen. Ich kenne Uta, die Vorsteherin des Hofes, seit ich ein kleines Mädchen war, und weiß, dass sie nicht zögern würde, mich aufzunehmen. Mit Nadel und Garn kann ich nämlich umgehen.»
    Das bezweifelte Griet nicht. Sie freute sich zu hören, dass Pamela Osterlamm so unverzagt Pläne schmiedete, anstatt ängstlich abzuwarten, ob sie im Haus ihrer Brüder noch länger willkommen war. Doch zu der Genugtuung, in dieser Angelegenheit helfen zu können, gesellten sich alsbald neue Sorgen und Zweifel. Pamela war ja nicht die Einzige, die sich vor Adam und Coen fürchten musste. Sie selbst hatte sich den Brüdern schon wieder in den Weg gestellt, zumindest würden sie das so sehen. Und obwohl man Griet in der Stadt neuerdings etwas freundlicher behandelte, fürchtete sie, dass die Stimmung schnell wieder umschlagen könnte, wenn bekannt würde, dass sie mit Pamela gemeinsame Sache machte.
    Als Griet das Kontor abschloss und draußen tief die von Wind und Regen abgekühlte Luft einatmete, ertappte sie sich bei dem Wunsch, Don Luis möge sich bald wieder blicken lassen. Es war seltsam mit ihm. Besuchte er sie, vergingen keine fünf Minuten, bis sie sich über ihn ärgerte. Dabei konnte sie selbst nicht sagen, warum sie ihn bei allem, was er vorbrachte, voller Argwohn betrachtete. Er verlor in ihrer Gegenwart niemals die Fassung, sprach immer leise und war von einer fast vollkommenen Höflichkeit. Wenn sie sich gemeinsam über die Rechnungsbücher beugten, kam es vor, dass Griet sogar vergaß, dass Don Luis Spanier und mit Farneses Truppen in die Stadt gekommen war. Dann genoss sie seine Nähe, den herben Kräuterduft, der ihm anhaftete, und die Wärme, die von seinem samtenen schwarzen Wams mit den aufgebauschten Ärmeln ausging. Einige Male hatte sie seine Fragen überhört, weil sie mit ihren Gedanken weit weg gewesen war. Irgendwo, wo es nach frischem Heu, Früchten und Kräutern duftete und die klamme Kälte des Kontors sich in die wohltuende Wärme eines Landes verwandelte, in dem es nicht so oft regnete wie in Flandern, irgendwo, wo die heiße südliche Sonne den Boden trocknete. Ein Land voll trauriger, aber wunderschöner Melodien, wie Griet sie damals im «Goldenen Apfel» gehört hatte. Wie Don Luis wohl lebte, wenn er nicht in Farneses Diensten stand? Was genau er für den Statthalter zu tun hatte, hatte er ihr nicht gesagt. Ob er nach Spanien zurückkehren würde, sobald seine Aufgaben in den Niederlanden beendet waren?
    Griet hatte noch nie viel über das Land nachgedacht, in dem Philipp II. herrschte. Ihr Vater

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