Die Stadt der schwarzen Schwestern
erreichen», sagte Coen zu de Lijs, der bleich in seinen Lehnstuhl gefallen war. «Ihr hättet Adam und mir früher erlauben sollen, dem Spanier eine Abreibung zu verpassen. Nun müssen wir nach Brüssel reiten, um ihn zu finden.»
«Wieso hätte ich Euch unterstützen sollen?» De Lijs wechselte einen Blick mit Pieter Rink. «Euch ging es doch nur darum, sich das Privileg der Witwe Marx unter den Nagel zu reißen. Ihr und Euer beschränkter Bruder seid neidisch auf sie und macht sie unsinnigerweise für das Schicksal Eures Vaters verantwortlich. Dabei ist es nicht ihre Schuld, dass Ihr in der Stadt kaum noch Einfluss habt und Euer Vermögen schrumpft. Die Osterlamms hatten ihre goldene Zeit, doch damit ist es vorbei.»
Coen kam näher und beugte sich unverfroren über den Stuhl des Weinhändlers. «Nicht wenn unsere beiden Häuser sich enger miteinander verbinden, guter Freund.»
«Worauf wollt Ihr hinaus?»
Coen lachte. «Griet Marx will Euch nicht; sie hat Euch abgewiesen und ist mit dem Spanier davongelaufen. Meine Schwester Pamela hingegen …»
Pieter Rink stöhnte gereizt auf. «Ihr macht Euch zum Narren, Coen», rief er. «Schreckt Ihr eigentlich vor gar nichts zurück?»
Coen riet dem Drucker in drohendem Ton, den Mund zu halten und kein Wort von dem, was er während der letzten halben Stunde gehört hatte, auszuplaudern.
«Ich bin mit Griet Marx befreundet», zischte der Drucker empört. «Sie wird nicht zulassen, dass dieser Don Luis de Reon ihrer Heimatstadt Schaden zufügt.»
«Aber Oudenaarde ist nicht ihre Heimat», gab nun auch de Lijs zu bedenken, in dessen Gedanken sich Zweifel auszubreiten begannen. «Wir bedeuten ihr nichts, sonst wäre sie längst nach Hause gekommen, anstatt sich mit Don Luis in Brüssel herumzudrücken.»
Coen nickte. «Eben. Griets Dienstmagd behauptet, sie sei dorthin unterwegs, um nach einem wertvollen Buch zu suchen.»
«Nach einem Buch?», riefen de Lijs und Rink gleichzeitig aus.
«Das ist natürlich Unsinn! Wenn Ihr mich fragt, hat sich die feine Dame abgesetzt, weil sie weiß, dass der Stadt durch die Aussage ihres Liebhabers Unheil und Verderben drohen. Aber diese Suppe werden Adam und ich ihr versalzen.»
«Was habt Ihr vor?», fragte Pieter Rink. Obwohl ihm seine Wut anzusehen war, wagte er es nicht, den jungen Patrizier offen zu kritisieren. Dies mochte sich ein Kaufmann wie de Lijs erlauben, nicht aber ein einfacher Drucker wie er, der vom Wohlwollen seiner betuchten Nachbarn abhängig war. Seine Hände zitterten, als er Umhang und Mütze vom Haken an der Tür nahm.
«Ich werde mich sogleich auf den Weg nach Brüssel machen. Ich weiß, wo ich die beiden suchen muss.» Coen wartete, bis der Drucker sich verabschiedet und die Stube verlassen hatte, dann fügte er mit einem breiten Grinsen hinzu: «Es wäre Pamela eine Ehre, wenn Ihr sie in den nächsten Tagen aufsuchen würdet. Ihr braucht eine treue, gehorsame Frau, auf die Ihr Euch verlassen könnt.»
«Man erzählt sich, dass Eure Schwester sich in einen Beginenhof einkaufen will», erklärte de Lijs ausweichend. Er dachte an Griet, verglich sie mit dem dürren Mädchen, das er bei ihren letzten Begegnungen nur in Tränen aufgelöst gesehen hatte. Nein, er war noch längst nicht bereit, sich auf eine neue Ehe einzulassen. Nicht, solange Griet Marx noch in seinen Träumen herumgeisterte.
«Es wäre außerdem notwendig, Griets Vater und ihre Magd genauer im Auge zu behalten, sonst verschwinden die auch noch nach Brüssel.» Coen trat ans Fenster und sah den dürren Blättern zu, die über den Hof zwischen den Lagerhäusern geweht wurden. «Ich traue diesem schwangeren kleinen Biest nicht. Noch gehorcht sie, aber wer weiß, wie lange noch. Euer Hausknecht ist ein Säufer und Taugenichts, der kann uns diesen Dienst kaum erweisen.»
De Lijs sprang wütend auf. «Wie soll ich Griets Angehörige im Auge behalten? Ich bin ein vielbeschäftigter Mann.»
Eine Antwort blieb Coen ihm schuldig, doch sein Blick verriet, was in seinem Kopf vorging.
Es war nicht schwer, Menschen verschwinden zu lassen, nach denen ohnehin kein Hahn krähte.
Sinter van den Dijcke war beunruhigt, als Beelken ihm von dem Brief erzählte, den sie dem Pater überbracht hatte. Doch noch entsetzter war er, als er erfuhr, dass sich Griet auf dem Weg nach Brüssel befand. Grübelnd lief er durch die Stube des Pförtnerhäuschens, in dem es nach Feuerholz und Erbsensuppe roch. Dann blieb er unvermittelt stehen und drehte sich nach der
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