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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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verschweigen. «Ja, ich fürchte, sie fielen einem Überfall zum Opfer.»
    Die Priorin hob die Augenbrauen; offenbar hatte sie mit dieser Möglichkeit durchaus gerechnet. «Und Cäcilia? Lebt sie auch nicht mehr?»
    Griet fand darauf keine Antwort. Alles, was sie getan hatten, seit sie in Elsegem die Gräber auf dem Kirchhof gesehen hatten, beruhte auf Mutmaßungen. Es war keineswegs sicher, dass es wirklich diese Cäcilia war, die den Mördern entkommen war. Gleichfalls klammerten sie sich an einen Strohhalm, wenn sie davon ausgingen, dass sie auch das Buch ihrer Vorsteherin mitgenommen hatte. Doch tief in ihrem Herzen spürte Griet, dass die Frau, die den Garten so liebevoll angelegt hatte, aber von ihren Mitschwestern stets an den Rand geschoben worden war, noch lebte. Irgendwo, nicht weit von hier, musste sie sein. Vielleicht hatte sie sich nach Hertoginnedal durchgeschlagen und beobachtete sie in diesem Moment von einem Versteck aus. Das würde freilich bedeuten, dass Cäcilia in großer Gefahr war. Wer auch immer Bernhild van Aubrements Buch für sich beanspruchte, hatte nicht gezögert, dafür sechs Ordensfrauen mitsamt bewaffneten Begleitern zu ermorden. Es musste eine Person sein, die entweder skrupellos oder fanatisch genug war, um das zu bekommen, was sie wollte, und für die weder Gnade noch Mitgefühl etwas bedeuteten.
    «Vielleicht kehrt Schwester Cäcilia wieder zu uns zurück?», meinte die Priorin, während sie das hölzerne Tor verschloss, das zu den Gärten führte. «Hier war sie glücklich. Sie fehlt uns, obwohl wir sie kaum kannten.»
    Griet fand es rührend, wie die ältere Frau über Cäcilia sprach, doch sie bezweifelte, dass diese sich jemals wieder in Hertoginnedal blicken ließ. Nachdem der ehemalige Zufluchtsort der schwarzen Schwestern durch den Übereifer der Generalstatthalterin bekannt geworden war, war die Abtei mit Sicherheit der erste Ort, an dem der Unbekannte nach Cäcilia forschen würde. Sie konnte nicht mehr zurück. War sie vorher schon eine Ausgestoßene gewesen, so hatte sie Bernhilds Geheimnis nun auch noch zur Heimatlosen gemacht.
    Griet überlegte weiter, während sie auf Don Luis wartete. Wohin würde sie an Cäcilias Stelle gehen? Würde sie in den Niederlanden bleiben, hier, im spanisch besetzten Süden? Gab es vielleicht Angehörige, die sie aufnehmen konnten? Alte Freunde, auf deren Schweigen sie sich verlassen durfte? Cäcilia hatte sich einem Orden angeschlossen. Oftmals bedeutete ein Rückzug ins Kloster, dass Brücken hinter sich abgebrochen, alte Bekanntschaften bewusst gemieden wurden. Bernhild, die darüber etwas hätte sagen können, war tot, und der Priorin von Hertoginnedal hatte sich Cäcilia nie anvertraut. Es war wie verhext. Wenn Pater Jakobus ihnen nicht helfen konnte, hatte Griet nur wenig Hoffnung, jemals auch nur eine Spur von Cäcilia zu finden. Ohne sie aber würden sie nie erfahren, was sich im Gutshaus zugetragen hatte.
    Die nächste Stunde verbrachte Griet im Gästequartier des Klosters, einem einfachen, mit Stroh ausgelegten Raum nahe den Stallungen, der jedoch angenehm warm war. Eine junge Nonne brachte ihr einen Becher heißen Holunderbeerwein.
    Als Don Luis endlich kam, empfing sie ihn voller Ungeduld. «Und? Hat Pater Jakobus geschrieben?»
    Don Luis schwenkte als Antwort ein zusammengefaltetes Blatt in der Hand. Er reichte es Griet. Diese vertiefte sich in die Zeilen und hob den Kopf erst wieder, nachdem sie jedes einzelne Wort entziffert hatte.
    «Pater Jakobus scheint der Meinung zu sein, dass dieser Mann in Brüssel uns mehr zu dem Buch sagen kann», meinte sie in Gedanken versunken. «Aber hilft uns das auch, Cäcilia zu finden? Sie ist die Einzige, die die Wahrheit kennt und vor Alessandro Farnese bezeugen kann, dass ihre Mitschwestern keineswegs von Waldgeusen oder, noch schlimmer, von Bürgern aus Oudenaarde überfallen wurden.»
    Don Luis hörte ihr nur mit halbem Ohr zu. Griet spürte, dass er es kaum erwarten konnte, die Abtei zu verlassen. Sie selbst war schon seit Jahren nicht mehr in Brüssel gewesen. Die Stadt war Isabelles Reich gewesen, nicht das ihre. Andererseits überkam sie eine Sehnsucht, als sie an das stille Haus ihrer Kindheit zurückdachte, das nun, da ihr Vater sich in Oudenaarde aufhielt, leerstand. So konnte es ihr und Don Luis wenigstens ein bequemes Obdach bieten, solange ihre Erkundigungen sie beide in der Hauptstadt aufhielten.

    Während Griet und Don Luis sich darauf vorbereiteten, ihre Reise

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