Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1
zu widerstehen vermochte.
Offenkundig kannte das höllische Flugtier sämtliche Windungen jenes Labyrinths der Täuschung, mit dem Ezdagor seine Zuflucht umgeben hatte, denn der Jäger wurde ohne größere Umwege über den verhexten Gebirgsvorbau geleitet. Im Vorübergehen vernahm er die weit entfernten Rufe seiner Männer. Doch als er zu antworten versuchte, klang seine eigene Stimme so schwach und dünn wie der Ruf einer Fledermaus. Bald fand er sich am Fuße einer Steilwand zum oberen Gebirgsabschnitt, die von Höhlenöffnungen durchsetzt war. Dies war ein Teil des Voormithadreth, den er nie zuvor betreten hatte.
Raphtontis flog zur untersten Höhle empor und schwebte kreisend vor ihrem Eingang, während Ralibar Vooz durch eine dichte Barriere aus Knochen, scharfkantigen Feuersteinsplittern und weiteren Hinterlassenschaften unsäglicherer Art, die von den Voormis entsorgt worden waren, unsicher hinter ihm her kletterte. Die rohen, primitiven Wilden säumten die finsteren Löcher der Höhlen mit ihren abstoßenden Fratzen und Extremitäten und begrüßten den Jäger mit wildem Geheul und einem unerschöpflichen Bombardement aus Unrat. Raphtontis hingegen behelligten sie nicht. Ja, es hatte sogar den Anschein, als vermieden sie tunlichst, ihn mit ihren Wurfgeschossen zu treffen, obwohl dieses auf gebreiteten Schwingen vor der Höhle segelnde Flugtier ihrem Abwehrfeuer immer stärker im Wege war, je näher Ralibar Vooz der untersten Höhle kam.
Dank dieser notdürftigen Deckung gelang es dem Jäger, die Höhle ohne ernstliche Verletzungen zu erreichen. Der Zugang war ziemlich eng und Raphtontis flog mit klaffendem Schnabel und klatschenden Flügeln über die Voormis hinweg und zwang sie zum Rückzug ins Höhleninnere, während Ralibar Vooz auf dem Felsvorsprung Fuß fasste, der die Schwelle zur Höhle darstellte.
Einige der Wilden hatten sich zwar mit den Gesichtern zu Boden geworfen, um Raphtontis den Weg freizugeben; doch sobald der Vogel an ihnen vorbeigesegelt war, sprangen sie auf und griffen den Commorier, der seinem Führer in die ranzige Finsternis folgte, an. Die Voormis gingen nur halb aufrecht und ihre zottigen Schädel befanden sich auf gleicher Höhe mit den Oberschenkeln und Hüften des Jägers, während sie wie Hunde knurrten und zubissen. Und sie hieben mit hakenförmigen Krallen nach ihm, die sich fest in den Gliedern seines Kettenhemdes verfingen.
Waffenlos setzte Ralibar Vooz sich zur Wehr, getreu seinem Banngelübde. Er schlug ihre hässlichen Fratzen mit seiner gepanzerten Faust in einer Raserei aus dem Weg, die nichts von dem Jagdfieber des Waidmanns an sich hatte. Und er spürte, wie ihre in den eng geschmiedeten Maschen seines Kettenpanzers verhakten Krallen und Fänge abbrachen, wenn er sie von sich schleuderte. Doch frische Angreifer ersetzten die Besiegten jedes Mal, sobald er ein weiteres Stück in die dunkle Höhle vorgedrungen war … und die Weibchen schnappten wie zustoßende Schlangen nach seinen Beinen … und ihre Brut begeiferte seine Fußgelenke mit Mäulern, denen noch keine Reißzähne gesprossen waren.
Vor sich hörte er zu seiner Orientierung den klatschenden Schwingenschlag seines Geleitvogels Raphtontis und die heiseren Schreie, halb Gezisch und halb Gekrächze, die dieses Geschöpf von Zeit zu Zeit ausstieß. Aus der Finsternis würgte ihn überwältigender Gestank und seine Füße glitten bei jedem Schritt in Blut und Exkrementen aus. Immerhin konnte er sich bald sagen, dass die Voormis nicht länger auf ihn eindrangen. Die Höhle neigte sich nun abwärts und er atmete eine von beißenden mineralischen Gerüchen durchsetzte Luft ein.
Nachdem er sich eine Zeit lang durch schwarze Nacht vorangetastet und ein steiles Gefälle überwunden hatte, erreichte er eine unterirdische Halle, wo weder Tag noch Finsternis herrschte. Ihre Steingewölbe zeigten sich in einem düster glühenden Lichtschein, wie ihn verborgene Monde verbreiten mochten. Von hier aus geleitete Raphtontis ihn weiter durch abschüssige Grotten und über die schmalen Ränder tödlicher Schlünde immer tiefer hinab in die Unterwelt des Berges Voormithadreth. Überall herrschte dieser trübe, unnatürliche Schein, dessen Ursprung nicht zu ergründen war. Schwingen weit größer als Fledermausflügel rauschten hoch über dem Jäger dahin, und zuweilen erspähte er in den verschatteten Kavernen gewaltige, furchteinflößende Körpermassen, die jenen Riesengeschöpfen und gigantischen Reptilien glichen, deren
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