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Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1

Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1

Titel: Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Ashton Smith
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Höhle aus Vulkangestein. Dann nahm ich ein Stück weit vor mir einen schwachen Lichtschimmer auf dem Fußboden und an den Pfeilern wahr. Schon bald wuchs das Licht zu einem alles überstrahlenden Glanz an, so als hätte jemand im Innern des Tempels gigantische Lampen entzündet; zugleich pulsierte das Vibrieren der verborgenen Musik stärker in meinen Nerven.
    Der Gang endete in einer Kammer ungewissen, aber immensen Ausmaßes, deren Decke und Wände sich in reglosen, nicht weichen wollenden Schatten verloren. In ihrem Zentrum, inmitten der riesenhaften Bodenplatten aus Stein, befand sich ein kreisrunder Schacht, über dem wie eine Fontäne ein Feuer zu schweben schien – eine unablässige, hoch lodernde, allmählich anwachsende Stichflamme. Die Flamme war der einzige Lichtquell, und ihr entsprang auch jene unbändige, überirdische Musik. Selbst mit Watte in den Ohren empfand ich noch die Verlockung, die von dem hohen, verzückten Singsang ausging, seine sinnliche Anziehungskraft und die damit einhergehende, schwindelerregende Wonne.
    Augenblicklich war mir klar, dass dieser Ort ein Heiligtum darstellte und die zwischen den Dimensionen reisenden Wesen, die neben mir gingen, Pilger waren, die es besuchten. Es waren Dutzende, wenn nicht Hunderte von ihnen, doch angesichts der kosmischen Ausmaße des Saales wirkten sie allesamt wie Zwerge. In den unterschiedlichsten Gebetshaltungen versammelten sie sich vor der Flamme, beugten ihre exotisch anmutenden Häupter oder vollführten mit nichtmenschlichen Händen und Körperteilen rätselhafte, Anbetung und Verehrung ausdrückende Gebärden. Und über das Singen des Feuerbrunnens hinweg vernahm man ihre Stimmen, manche tief wie dröhnende Trommeln, andere schrill wie das Zirpen riesenhafter Insekten.
    Wie gebannt ging ich weiter und gesellte mich zu ihnen. Fasziniert von der Musik und dem Anblick der lodernden Flamme schenkte ich meinen absonderlichen Gefährten ebenso wenig Beachtung wie sie mir. Höher und höher stieg der Feuerschwall, bis sein Schein über die Züge und Gliedmaßen hinter dem Brunnen thronender, monumentaler Statuen flackerte – Helden, Götter, vielleicht auch Dämonen längst vergangener, unbekannter Zeiten, die mir, in Stein gehauen, aus einer unendlich rätselhaften Düsternis entgegenstarrten.
    Die Flamme war gleißend grün, rein wie das Feuer im Herzen eines Sterns; ich war geblendet, und als ich die Augen abwandte, war die Luft von verschlungenen Mustern erfüllt, rasch sich verändernden Arabesken, deren unzählige Farbtöne keines Menschen Auge je erblickt hatte. Und ich spürte eine erregende Wärme, die mich bis ins Mark durchdrang ...
    Die Melodie schwoll gleichzeitig mit der Flamme an und mit einem Mal verstand ich das ständig wiederkehrende Auf und Ab. Während ich so dastand und lauschte, kam mir ein verrückter Gedanke – nämlich wie wundervoll, welches Entzücken es sein müsste, einfach loszulaufen und sich kopfüber in das singende Feuer zu stürzen. Die Musik schien mir zu sagen, dass ich in dem Moment, da die lodernde Flamme mich verzehrte, all die Pracht und Herrlichkeit, jenes begeisternde Hochgefühl entdecken würde, das sie aus der Ferne verheißen hatte. Sie flehte mich geradezu an, bat mich in den himmlischsten Tönen, und obwohl ich mir die Ohren verstopft hatte, war ihr Lockruf nahezu unwiderstehlich.
    Sie hatte mir jedoch nicht völlig den Verstand geraubt. Mit plötzlichem Entsetzen, wie jemand, dem der Versucher einflüstert, er solle sich in einen tiefen Abgrund stürzen, wich ich zurück. Dann sah ich, dass einige meiner Gefährten ebenfalls diesen entsetzlichen Drang verspürten. Die beiden bereits erwähnten Wesen mit den scharlachroten Schwingen standen etwas abseits von uns Übrigen. Nun erhoben sie sich mit lautem Flügelschlag in die Luft und segelten, wie Motten ins Licht einer Kerze, auf die Flamme zu. Einen kurzen Augenblick lang schien das Feuer rötlich durch die fast durchsichtigen Schwingen, ehe sie in der hochschießenden Glut vergingen, die kurz aufloderte und danach weiterbrannte, als sei nichts geschehen.
    Anschließend eilte in rascher Folge eine ganze Reihe weiterer, die unterschiedlichsten Spielarten der Biologie repräsentierender Wesen nach vorn, um sich der Flamme zu opfern. Manche der Kreaturen hatten durchscheinende Körper, andere schimmerten in opalisierenden Farben; unter ihnen waren geflügelte Giganten und Titanen, die ausschritten, als trügen sie Siebenmeilenstiefel; ein Wesen

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