Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1

Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1

Titel: Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Ashton Smith
Vom Netzwerk:
hatte misslungene, verkümmerte Schwingen und kroch eher, als dass es rannte, um sich demselben glorreichen Schicksal zu überantworten wie die anderen. Doch befand sich unter ihnen nicht ein einziger Bewohner der Stadt; diese standen lediglich dabei und schauten unbewegt, Statuen gleich, zu.
    Die Fontäne hatte ihre äußerste Höhe erreicht und begann nun allmählich wieder in sich zusammenzusinken, langsam, aber stetig, bis sie nur noch halb so hoch war wie zuvor. Während dieser Zeitspanne brachte sich niemand mehr selbst als Opfer dar, und mehrere der Geschöpfe neben mir wandten sich abrupt ab und gingen davon, so als sei der tödliche Bann gebrochen.
    Eines der hochgewachsenen gepanzerten Wesen sprach mich, bereits im Gehen begriffen, an. Seine Worte klangen wie ein Fanfarenstoß, und der warnende Unterton war unmissverständlich. Mit einer gewaltigen Willensanstrengung folgte ich ihm in einem Aufruhr widerstreitender Gefühle. Bei jedem Schritt kämpfte mein Selbsterhaltungstrieb gegen die rasende, irrsinnige Melodie an. Mehr als einmal machte ich Anstalten, wieder umzukehren.
    Den Weg zurück nach Hause habe ich nur undeutlich, verschwommen in Erinnerung, wie jemand, der im Opiumrausch umherstreift; hinter mir sang die Melodie von den Herrlichkeiten, die mir entgangen waren, von dem kurzen Augenblick flammenden Vergehens, den zu erfahren besser sei, als äonenlang als Sterblicher zu leben.
    9. August – Versuchte, an einer neuen Geschichte weiterzuschreiben, kam aber nicht voran. Angesichts einer Welt voll unergründlicher Geheimnisse, zu der ich Zugang gefunden habe, erscheint mir alles, was ich mir vorstellen oder in Worte fassen kann, nur noch banal und kindisch. Die Versuchung, zurückzukehren, ist stärker denn je, der Lockruf der Melodie, an die ich mich erinnere, süßer als die Stimme einer Geliebten. Und unentwegt quält mich das Ganze, peinigt mich die Frage, wie wenig ich überhaupt wahrgenommen und begriffen habe.
    Was für Kräfte sind hier am Werk, von deren Existenz und Wirken ich lediglich eine Kostprobe erhalten habe? Wer sind die Bewohner der Stadt? Und wer die Geschöpfe, die zu dem Tempel mit der Flamme pilgern? Welche Gerüchte oder Legenden veranlassen sie dazu, jenen Ort aufzusuchen und sich jener nicht zu beschreibenden tödlichen Gefahr auszusetzen? Und erst der Feuerbrunnen selbst – was ist das Geheimnis seiner Verlockung, was steckt hinter seinem todbringenden Gesang? Über diese Fragen könnte man zahllose Mutmaßungen anstellen, ohne je zu einer Lösung des Rätsels zu gelangen.
    Ich habe vor, noch einmal zurückzukehren … allerdings nicht allein. Diesmal muss mich jemand begleiten als Zeuge für das Wunderbare und all die Gefahren. Das alles ist viel zu sonderbar, als dass man es mir glauben würde. Ich brauche einen Menschen, der bestätigt, was ich gesehen, was ich empfunden und gemutmaßt habe. Außerdem ist jemand anders vielleicht eher in der Lage zu begreifen, was ich höchstens erahne.
    Doch wen soll ich mitnehmen? Es dürfte notwendig sein, jemanden von hier, von der äußeren Welt zum Mitkommen aufzufordern – jemanden, der sowohl von seinem intellektuellen als auch von seinem ästhetischen Vermögen her dazu in der Lage ist. Soll ich Philip Hastane fragen? Er ist ein Kollege, ebenfalls Schriftsteller. Aber ich fürchte, er hat zu viel zu tun. Dann wäre da noch dieser Künstler aus Kalifornien, Felix Ebbonly. Er hat einige meiner fantastischen Romane illustriert ...
    Ebbonly wäre genau der Richtige, und sollte er kommen können, würde er diese neue Dimension auch zu schätzen wissen. Mit seinem Hang zum Bizarren und Überirdischen dürfte er schlichtweg fasziniert sein vom Anblick jener Ebene und der Stadt mit ihren Arkaden, ihren hoch in den Himmel ragenden Bauwerken und dem Feuertempel. Er wohnt in San Francisco. Ich werde ihm umgehend schreiben.
    12. August – Ebbonly ist eingetroffen. Den mysteriösen Andeutungen in meinem Brief bezüglich neuer abzubildender Objekte, die seinen Geschmack treffen dürften, konnte er nicht widerstehen. Mittlerweile habe ich ihm alles erklärt und ihm eingehend geschildert, was mir widerfahren ist. Es ist ihm anzusehen, dass er mir nicht so recht glaubt, und das kann ich ihm wohl kaum zum Vorwurf machen. Aber nicht mehr lange, dann wird er mir Glauben schenken, denn morgen werden wir gemeinsam zur Stadt der Singenden Flamme aufbrechen.
    13. August – Ich muss mich konzentrieren, bin völlig durcheinander, muss meine Worte

Weitere Kostenlose Bücher