Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1
einziges Durcheinander aus verstreuten Steinen und miteinander verschmolzenen, obsidianartigen Blöcken an Stellen, wo sich Ströme flüssiger Lava durch die gewaltigen Straßenschluchten wälzten oder Sturzbächen gleich in unergründliche Spalten ergossen, die sich im Boden aufgetan hatten. Außerdem erinnere ich mich an die zwischen all den Trümmern verstreuten verkohlten Leichen jener dunkelhäutigen Kolosse, die die Bewohner von Ydmos und die Hüter der Flamme gewesen waren.
Wie Pygmäen, die sich in einer zerstörten Titanen-Festung verirrt haben, stolperten wir los, erstickten beinahe im Pesthauch metallischer Dämpfe, schwindlig vor Erschöpfung, benommen vor Hitze, die überall auszuströmen schien und uns Schwall um Schwall entgegenwogte. Eingestürzte Gebäude, umgefallene Türme und Zinnen versperrten uns den Weg. Mühsam, unter Lebensgefahr kletterten wir darüber hinweg. Oftmals zwangen uns ungeheure Risse im Boden, die die Grundfesten der Welt zu spalten schienen, dazu, von unserem direkten Weg abzuweichen.
Die zornigen Herrscher der umliegenden Länder hatten ihre wandernden Türme zurückgezogen. Als wir über die geborstenen, unförmigen, zu Schlacke geschmolzenen Gesteinstrümmer wankten, die einst die Befestigungsanlage der Stadt gebildet hatten, war auf der Ebene von Ydmos von ihren Armeen nichts mehr zu sehen. Vor uns erstreckte sich nichts als eine trostlose Wüste – eine ausgedehnte, feuergeschwärzte Fläche, über der noch Rauchschwaden hingen und auf der nicht ein Grashalm mehr wuchs.
Quer durch diese Einöde gelangten wir an den mit violetten Gräsern bestandenen Hang oberhalb der Ebene, den die Blitzschläge der Invasoren verschont hatten. Noch immer blickten die Monolithen, an denen wir uns orientierten – errichtet von einem Volk, dessen Namen wir nie erfahren werden – von dort hinab auf die rauchgeschwängerte Ödnis und den Ruinenhügel von Ydmos. Und zu guter Letzt erreichten wir wieder die grünlich-grauen Säulen, die das Portal zwischen den Welten bildeten.
Das neunte Skelett
An einem makellos blauen Aprilmorgen brach ich auf, um mich mit Guenevere zu treffen. Wir waren am Boulder Ridge verabredet, an einer Stelle, die wir beide gut kannten, auf einer kleinen, von Kiefern umstandenen, kreisrunden Wiese voller hoher Felssteine. Sie befand sich auf halbem Weg zwischen dem Haus ihrer Eltern in Newcastle und meiner Blockhütte am äußersten Rand des Grates, unweit von Auburn.
Guenevere ist meine Verlobte. Ich muss dazu allerdings anmerken, dass ihre Eltern zu der Zeit, von der ich berichte, gegen diese Verbindung waren – heute haben sie ihren Widerstand glücklicherweise aufgegeben. Ja, sie hatten mir damals sogar das Haus verboten. Guenevere und ich konnten uns nur heimlich treffen, und auch das nicht sehr oft.
Boulder Ridge ist eine lang gezogene, mäandernde Ablagerung eiszeitlichen Gletschergerölls und stellenweise, wie der Name schon andeutet, von Unmengen von Felsbrocken übersät: Oft liegt das schwarze, vulkanische Gestein offen zutage. Obstfarmen schmiegen sich an die Hänge, in größeren Höhen hingegen wird so gut wie nichts angebaut, da das Erdreich dort großteils nicht tief genug und zu steinig ist, um es landwirtschaftlich zu nutzen. Mit ihren windgekrümmten Kiefern, deren Formen manchmal nicht minder fantastisch wirken als die Zypressen an der Küste Kaliforniens, und mit ihren knorrigen, verkümmerten Eichen ist es eine Landschaft von wilder, ursprünglicher Schönheit, die bisweilen an die Anlage japanischer Gärten erinnert.
Von meiner Blockhütte bis zu der Stelle, an der ich mich mit Guenevere treffen wollte, sind es ungefähr zwei Meilen. Da ich sozusagen im Schatten des Gebirgskammes geboren wurde und die meisten meiner über dreißig Lebensjahre in oder zumindest in der Nähe von Boulder Ridge verbracht habe, kenne ich hier weit und breit jeden reizvollen und noch so zerklüfteten Pfad und hätte bis zu jenem Aprilmorgen jeden ausgelacht, der mir gesagt hätte, dass ich mich hier verirren könnte ... Doch seither – nun, ich kann Ihnen versichern, jetzt würde ich nicht mehr lachen …
Ah, es war ein Morgen wie geschaffen, um eine Frau zu treffen. Bienen summten geschäftig im Klee und in der weißen Blütenpracht der Fliederbüsche, die einen eigentümlichen, schweren Duft verströmte. Ringsum blühte bereits alles: blaue und gelbe Veilchen, Mohn, wilde Hyazinthen und Waldsterne. Die Wiesen schillerten in allen Farben. Zwischen dem
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