Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1
Abfallhalden zu führen. Dort wurde eine überaus bemerkenswerte Gegebenheit offenbar: Die Erde war unberührt, abgesehen von einem tiefen Loch an einem Ende des Grabes, wie es etwa von einem großen Nagetier hätte verursacht sein können. Kein Körper von Menschenmaß, oder zumindest von Menschengestalt, konnte aus diesem Loch hervorgekommen sein.
Auf mein Geheiß entfernten die Totengräber die lockere, mit Tonscherben und anderem Müll vermischte Erde, die sie auf den geköpften Verbrecher gehäuft hatten. Als sie bis zum Boden der Grube vorgedrungen waren, fand sich nichts außer einem leicht klebrigen Rückstand, wo die Leiche gelegen hatte – und dieser verflüchtigte sich ebenso wie ein unsäglich fauliger Gestank, der ihn begleitete, sobald beides mit der frischen Luft in Berührung kam.
Verblüfft und ratloser denn je, doch noch immer überzeugt, dass das Geheimnis irgendeine natürliche Auflösung finden würde, sah ich der erneuten Gerichtsverhandlung entgegen. Diesmal arbeitete die Justiz noch rascher und zielstrebiger als zuvor. Abermals vernahm der Delinquent den Schuldspruch, und der Zeitpunkt der Enthauptung wurde bereits auf den folgenden Morgen festgesetzt.
Das Urteil enthielt eine ergänzende Anweisung bezüglich der Entsorgung: Die Überreste des Geköpften sollten in einem stabilen hölzernen Sarkophag versiegelt werden, der Sarkophag dann in einer tiefen Grube im gewachsenen Fels beigesetzt und die Grube mit schweren Steinbrocken aufgefüllt werden. Diese Vorkehrungen, so glaubte man, müssten genügen, um die unheilsamen und regelwidrigen Neigungen dieses abscheulichen Gewaltverbrechers ein für allemal zu unterbinden.
Als Knygathin Zhaum mir erneut vorgeführt wurde, umringt von einer verdoppelten Wachmannschaft und einer Volksmenge, die den Richtplatz und alle umliegenden Straßen durchflutete, musterte ich ihn mit gespannter Aufmerksamkeit und mit noch mehr Abneigung als beim ersten Mal. Da ich ein geschultes Gedächtnis für anatomische Details besitze, bemerkte ich einige sonderbare Veränderungen an seinem Körper. Die großen Flecken von mattschwarzer und kränklich-gelber Farbe, die ihn von Kopf bis Fuß sprenkelten, wiesen jetzt eine etwas andere Verteilung auf. Die Verschiebung seiner Gesichtsflecken um Augen und Mund herum verlieh ihm einen Ausdruck, der unerträglich finster und höhnisch anmutete. Auch bestand eine merkbare Verkürzung seines Halses, obschon die Stelle, wo er durchschnitten und wieder zusammengefügt worden war, im mittlerem Abstand zwischen Kopf und Schultern, kein noch so geringes Zeichen einer Verletzung aufwies. Beim Blick auf seine Glieder bemerkte ich weitere, weniger auffällige Veränderungen.
Trotz meiner Kenntnis in Bezug auf den menschlichen Körper verspürte ich keine Neigung, Mutmaßungen über die physiologischen Vorgänge anzustellen, die diesen Veränderungen zugrunde lagen – und noch weniger war ich gewillt, mir die zweifelhaften Folgen auszumalen, sollten diese Veränderungen noch weitergehen; falls es denn dazu kam. Erfüllt von der inbrünstigen Hoffnung, dass dem Ungeheuer mit Namen Knygathin Zhaum und den abscheuerregenden, schandbaren Eigenschaften seines gottlosen Kadavers nunmehr ein dauerhaftes Ende bereitet würde, hob ich das Schwert des Gesetzes hoch empor und schlug mit heroischer Macht zu.
Abermals ließ die Wirkung des spaltenden Hiebs, soweit für das menschliche Auge ersichtlich, nichts zu wünschen übrig. Der Kopf rollte auf dem Eighon -Block nach vorn und der restliche Körper sackte zu Boden und lag schlaff auf dem besudelten Pflaster. Juristisch betrachtet, war dieser doppelt fluchwürdige Übeltäter nun zweifach tot.
Wie dem auch sei: Diesmal beaufsichtigte ich die Entsorgung seiner Überreste persönlich und stellte die Verschraubung des robusten Sarkophages aus Apha -Holz sicher, der sie aufgenommen hatte. Anschließend sorgte ich für die Auffüllung der drei Meter tiefen Grube, in die der Sarkophag versenkt wurde, mit eigens ausgewählten Felsbrocken. Es bedurfte der Kraft dreier Männer, um auch nur den kleinsten dieser Brocken hochzuheben. Wir alle waren überzeugt, dass der zählebige Knygathin Zhaum nun endgültig Ruhe geben würde.
Doch wehe! Eitel ist alle irdische Hoffnung und vergebens alle menschliche Mühe! Der Morgen kam und mit ihm die unfassbare, grausige Kunde von neuerlicher Untat: Wiederum machte der widernatürliche, halbmenschliche Mörder die Straßen der Hauptstadt unsicher, wiederum
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