Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1

hatte seine kannibalische Gier ihren Blutzoll unter den achtbaren Bewohnern Commorioms gefordert. Er hatte keinen Geringeren aufgefressen als einen der acht Richter; und nicht damit zufrieden, die Knochen dieses recht beleibten Würdenträgers blank zu nagen, hatte er gleichsam als Nachtisch die mehr hervortretenden Gesichtsmerkmale eines der Gesetzeshüter verschmaust, der versucht hatte, ihn von der Beendung des Hauptganges abzuhalten. All dies war wie beim ersten Mal inmitten des wütenden Tumults einer aufgebrachten Volksmenge geschehen. Nach einem letzten Bissen von dem wenigen, das vom linken Ohr des unglücklichen Ordnungshüters übrig geblieben war, hatte Knygathin Zhaum anscheinend ein Gefühl der Sättigung verspürt und sich widerstandslos von den Gefängniswärtern abführen lassen.
    Ich selbst und jene, die meine Anweisungen zu den aufwendigen Bestattungsarbeiten in die Tat umgesetzt hatten, waren mehr als verblüfft, als sie diese Neuigkeit vernahmen. Und die Wirkung des Geschehens auf die Öffentlichkeit war gewiss beklagenswert. Die abergläubisch Veranlagten und die Furchtsameren unter den Einwohnern begannen ungesäumt, die Stadt zu verlassen; auch wurden längst vergessene Prophezeiungen ausgegraben und unter den verschiedenen Priesterschaften der Stadt war viel die Rede von der Notwendigkeit, ihre auf unerfindliche Weise erzürnten Götter und Götzen mit großzügigen Opfern zu besänftigen. Mich gegen derartigen Schwachsinn taub zu stellen, fiel mir nicht schwer – doch unter den obwaltenden Umständen war die beständige Wiederkehr Knygathin Zhaums vom wissenschaftlichen Standpunkt aus nicht weniger beunruhigend als von dem der Religion.
    Wir untersuchten das Grab, wenn auch nur der Form halber. Dort entdeckten wir, dass einige der auf den Sarkophag gehäuften Felsbrocken weit genug verschoben worden waren, um einem Körper von der Breite einer großen Schlange oder einer Bisamratte den Durchschlupf zu gestatten. Der Sarkophag selbst war mitsamt seinen Metallschrauben an einem Ende aufgesprengt – und uns schauderte bei dem Gedanken an die unfassbare Kraft, die hierzu erforderlich gewesen sein musste.
    Aufgrund der Art und Weise, wie dieser Fall sämtlichen bekannten Gesetzen der Biologie zuwiderlief, verzichtete man nunmehr auf die Formalitäten des Bürgerlichen Rechtes, und ich, Athammaus, wurde noch am selben Tag, ehe die Sonne im Zenit stand, gerufen und feierlich mit der Amtshandlung betraut, Knygathin Zhaum ohne weiteren Verzug erneut zu enthaupten. Wie man sich seiner Überreste diesmal entledigen würde, durch Vergraben oder eine beliebige andere Methode, oblag jetzt meiner Entscheidung; und für den Fall, dass ich Verstärkung benötigte, wurden die Soldaten der Stadtgarnison sowie die Stadtgendarmen meinem Befehl unterstellt.
    Im vollen Bewusstsein der mir dadurch erwiesenen Ehre und zutiefst verwirrt, doch ohne Furcht, begab ich mich zur Stätte meines Wirkens. Als der Verbrecher zum dritten Mal erschien, war es nicht nur für mich, sondern für jedermann unübersehbar, dass seine körperliche Erscheinung ein neues Stadium der Rückentwicklung erreicht und dabei eine höchst auffällige Wandlung durchlaufen hatte. Seine Fleckenzeichnung hatte sich zu mehr als bloß der Andeutung eines erschreckenden und abstoßenden Musters entwickelt und seine menschlichen Merkmale waren von schauderhaften Missbildungen verdrängt worden. Der Kopf entwuchs den Schultern fast ohne verbindenden Hals; die Augen saßen schräg versetzt in einem Gesicht voller Wölbungen und Abflachungen; Nase und Mund offenbarten eine Neigung, den Platz des jeweils anderen einzunehmen – und es gab noch weitergehende Veränderungen, die ich nicht näher benennen werde, denn sie bedeuteten eine ebenso grauenvolle wie beschämende Abwertung der edelsten und ausgeprägtesten Körperteile des Menschen. Immerhin will ich die befremdlichen, hängenden Gebilde gleich schlauchförmigen Kehllappen oder Halsfalten erwähnen, zu denen seine Kniescheiben sich entwickelt hatten. Dennoch war es Knygathin Zhaum höchstselbst, der jetzt – sofern man sich nicht scheute, seiner Körperhaltung durch eine solche Wortwahl zu schmeicheln – vor dem Richtblock stand.
    Aufgrund der faktischen Ermangelung eines Halses verlangte die dritte Enthauptung ein derartig genaues Auge und eine derart sichere Hand, wie sie aller Wahrscheinlichkeit nach kein Scharfrichter außer mir hätte aufbieten können. Ich freue mich, sagen zu dürfen, dass