Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)
böse gemeint«, bettele ich, denn ich fürchte mich wirklich schrecklich vor dem, was er mir gleich antun wird. »Es tut mir leid. Wirklich.« Meine Stimme bricht, ich hasse es, mich so schwach zu erleben.
Ohne zu zögern schleudert er mich durch die Tür ins Auditorium. Die Bänke sind leerer als letztes Mal . A uf einigen liegen R ekruter ausgestreckt, die das Chaos um sie herum verschlafen.
Etwa ein Dutzend Männer sind noch wach, sie klatschen und rufen, während eine offensichtlich erschöpfte Soulerfrau mit kurzen Haaren im Käfig herumstolpert, zwei Ungeweihte folgen ihr stur. Die Arme und das zerfetzte graue Gewand der Frau sind voller Blut, das auch über den Boden läuft. Jeder ihrer Schritte macht ein schmatzendes Geräusch.
Einige der R ekruter schauen auf, als Conall mich die Stufen hinunterschleppt. Ihre Augen sind müde, wahrscheinlich waren sie die ganze Nacht wach. »Spar sie für später auf«, ruft einer und wedelt schlaff mit der Hand. »Es ist Zeit, ins Bett zu gehen. Die hier wird langweilig.« Er und ein paar andere stolpern die Stufen hinauf.
Ich beiße mir auf die Unterlippe, bemühe mich, nicht in hilfloserWut loszuschreien. Ich hatte gewusst, dass es mit meinemTod enden könnte, wenn ich beim Stehlen erwischt wurde . A ber ich war bereit gewesen, dieses Risiko einzugehen, denn wenn ich sterben würde, hätten die R ekruter Interesse am Überleben von Elias und meiner Schwester, weil sie Catcher unter Kontrolle behalten mussten.
Conall lässt mich die Stufen hinunter auf die andere Seite des Raumes gehen, wo drei kleine Käfige stehen. Sie sind eher zur Haltung von Hunden geeignet. Er öffnet die Tür des einen, dann zwingt er mich auf die Knie und treibt mich mitTritten hinein.
Ehe ich mich umdrehen kann, klickt Metall auf Metall. Er hat mich eingeschlossen.
36
I ch stecke die Finger durch die dünnen Gitterstäbe. »Bitte«, rufe ich ihm zu. »Du hast das nicht verstanden.Wenn du mir das antust, musst du dafür sorgen, dass es meiner Schwester und Elias gut geht.Wenn du das nicht tust, wenn wir alle sterben, dann kommt Catcher nie zurück. Ihr werdet alle verhungern. Du musst zu meiner Schwester gehen und dich um sie kümmern.«
Ich bin verzweifelt. Es kann doch nicht umsonst gewesen sein, ich kann doch nicht hier unten festsitzen, während meine Schwester und Elias sterben. »Bitte!«, schreie ich hinter ihm her. Mein Hals ist schon ganz wund. »Das kannst du nicht machen!«
Er dreht sich um und will weggehen; ich schlage mit der Faust so fest gegen die Käfigtür, wie ich nur kann. »Du musst dafür sorgen, dass sie überleben, sonst sterbt ihr alle!«
Aber er scheint mich gar nicht zu hören. Ich beobachte, wie er durch den Raum geht und sich mit ein paar R ekrutern bespricht. Dabei zeigt er ein, zwei Mal auf mich, und dann gehen sie alle weg. Er wirft mir nicht mal einen Blick zu, als er die Tür des Auditoriums hinter sich schließt. Mein Herz hämmert so wütend, ich bin mir nicht sicher, ob ich mich je wieder beruhigen kann.
Mein Käfig ist winzig, so klein, dass ich auf allen vieren bleiben muss . A tmen ist in der Enge fast unmöglich, ich fange an zu hyperventilieren und zu würgen. Ich will mich erbrechen, aber es kommt nichts, und mir fällt ein, dass ich nichts mehr gegessen habe, seit Elias krank geworden ist.
Ich schlage mit den Händen an die Tür, versuche meine Finger durch die schmalen Streben zu winden, um das Schloss zu bearbeiten, aber ich komme nicht ran. Ich kann nur an die Wände des Käfigs trommeln, ziehen und zerren und hoffen, dass das müde alte Metall nachgibt. Ich stoße mich an einer der rostigen Angeln und zische vor Schmerz, als das Blut aus derWunde tritt.
Und dann sagt jemand mit müder Stimme: »Da wird sich nichts rühren.« Ich schaue auf und sehe die Frau in dem großen Käfig mitten im Raum. Sie steht da, mit einer Hand zwischen den Gitterstäben. Ihre Finger sind blutverkrustet. »Ich habe das über eineWoche lang versucht.«
Hinter ihr will einer der Ungeweihten auf sie losgehen, ein magerer, kahlköpfiger Mann in einer zerrissenen weißenTunika, doch sie weicht ihm mühelos aus und zieht sich in die Mitte des Käfigs zurück. Der Ungeweihte hebt den Kopf, schwarze Augen schauen sich suchend nach meinem nicht angesteckten Blut um. Dann stöhnt er, versucht durch das Gitter nach mir zu greifen und bricht sich dabei den Zeigefinger ab.
Der andere Ungeweihte schlurft heran und schließt sich ihm an, ich schnappe nach Luft, als ich
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