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Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan
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Ich weiß es nicht. Behutsam taste ich seine Beine und Hüften ab, streiche ihm über die Brust, die sich zum Glück noch hebt und senkt.
    »Catcher«, brülle ich ihn an. Ihm darf nichts passiert sein. Seine Haut fühlt sich heiß an, und er wimmert, als ich seinen Unterarm berühre. Blut tropft von seinem Handgelenk. Ich taste nach dem Quilt in meinem R ucksack, reiße ein Stück davon ab und drücke es auf dieWunde. Ächzend rollt er sich von mir weg, aber ich behalte seinen Arm fest im Griff. »Du bist verletzt.« Er kann sich bewegen, stelle ich erleichtert fest.
    Er schubst mich, ist aber nach dem Sturz noch immer verwirrt.
    »Du bist verletzt«, erkläre ich ihm noch einmal. »Halt still, ich muss mich um die Blutung kümmern. Ich weiß nicht, wie tief dieWunde ist. Da ist zu viel Blut.«
    Mit einem R uck richtet er sich auf und stößt mich von sich. »Weg von mir«, brüllt er. Seine Stimme dröhnt mir in den Ohren und hallt durch denTreppenschacht. Wie erstarrt sitze ich da, meine Hände greifen nach der Dunkelheit.
    Ich bin verwirrt, weiß nicht, wie ich reagieren soll, will ihn berühren, nur ein wenig, und höre, wie er weiter von mir abrückt. »Fass mich nicht an«, knurrt er.
    Das tut weh, eine unterschwelligeWut wächst in mir heran. »Ich wollte nur helfen«, zische ich ihn an. Die Erleichterung über seine Erholung ist jetzt verflogen.
    Ich taste nach meinem Messer, und als ich dabei zufällig Catchers Bein berühre, zieht er es weg. »Ich habe gesagt: Fass … mich … nicht … an.« Er stößt dieWorte in harschem Befehlston hervor.
    Jede einzelne meiner Narben scheint in Flammen zu stehen, siedendheißes Erröten versengt meinen Körper. Wütend falte ich die Überreste des Quilts zusammen und stopfe sie in meinen R ucksack.
    Ohne einWort stehe ich auf, taste mich schwindelnd und orientierungslos an derWand entlang, bis ich eine weitereTreppe finde. In meinen nutzlosen Augen brennenTränen über diesen unerwartetenVerweis, doch im Dunkeln spielt das keine R olle. Ich tappe dieTreppe hinunter, weg von dem Fremden, von seinerWut, von seiner Hitze.Weg von den Gefühlen, die er in mir auslöst.
    »Annah.« Etwas Entschuldigendes undVorsichtiges schwingt in seiner Stimme mit.
    Ich gehe weiter, meine Hüfte tut weh, und mein Kopf pocht an der Stelle, wo ich ihn mir beim Sturz angeschlagen habe. Der Schmerz wird so heftig, dass ich stehen bleibe und tief durchatme. Dann taumele ich weiter, weg von Catcher.
    Leise fluchend schlurft er auf demTreppenabsatz herum, dann höre ich, dass er mir folgt. Doch ich dringe tiefer in die Dunkelheit vor. DieTreppe endet, ich stolpere auf festen Boden, weiß nicht, welche Richtung ich einschlagen und wohin ich überhaupt gehen soll. Ich habe keine Ahnung, wo die Wände sind und wo der Bahnsteig endet und die Gleise liegen. Ich habe mich in einem Meer aus schwarzem Nichts verirrt, das mir unter die Haut kriecht. Catcher folgt mir dichtauf.
    »Du hast gesagt, Elias schickt dich.Wo ist er?« Ich hasse es, diese Frage zu stellen, aber ich muss es wissen. Ich verschränke haltsuchend die Arme vor der Brust. Mir ist schwindelig in der Dunkelheit, und mein Kopf schmerzt. Catcher kommt näher, berührt mich aber nicht. Ich höre ihn atmen, spüre seine Hitze. SeineWorte klingen noch in mir nach, ich fühle mich dumm und wertlos, bohre die Finger in meine Arme, um die unerwünschten Gefühle zu vertreiben.
    »Er ist immer noch bei den R ekrutern«, sagt Catcher. Mein Herz stockt.
    »Ihm fehlt nichts?« Ich kann nur flüstern. Lautes R eden könnte die Hoffnung verscheuchen.
    »Er hat versprochen, sich auf denWeg in die Dunkle Stadt zu machen«, antwortet Catcher. Ich presse die Hand auf den Mund, dieser Fremde soll nicht merken, wie sehr ich zittere vor Erleichterung.
    Ich antworte nicht darauf und frage mich, ob ich ihm trauen kann, wenn Elias ihm vertraut hat. Der Boden scheint unter mir wegzukippen, und ich weiß nicht, ob das an den Funken vor meinen Augen liegt oder ob die Fläche unter unseren Füßen uneben ist. Mein Magen rebelliert, das Pochen in meinem Kopf wird stärker.
    »Tut mir leid, Annah«, sagt er schließlich mit sanfterer Stimme. Er kommt noch näher. Seine Wärme bringt mich zum Zittern. Ich schwanke und strecke den Arm aus, um das Gleichgewicht zu halten.
    »Es ist nur …« Er zögert. Es hört sich an, als ob er sich mit der Hand durchs Haar fahren würde. Ich versuche mich zu erinnern, wie er ausgesehen hat oben auf dem Dach. Der Mondschein war auf

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