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Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan
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Vergleich mit den Frauen auf dem Dach, die nur ein paar Herzschläge vom Tod entfernt waren.
    Unsere Blicke treffen sich. »Wie fühlst du dich?«, fragt er.
    Ich setze mich auf, der Quilt rutscht mir von den Schultern und bleibt in meinem Schoß liegen. Ich zittere, mir ist schwindelig und übel, aber diese Gefühle schiebe ich weg. »Du bist der, der über die Mauer geklettert und in den Fluss gefallen ist. Sie haben dich für tot gehalten. Eigentlich hättest du ertrinken müssen.«
    Er senkt den Kopf und reibt sich den Nacken. Die Geste ist mir so vertraut, dass ich für eine Sekunde aufhöre zu atmen. Das hat Elias immer gemacht. Um sich Zeit zum Nachdenken zu verschaffen, um zu überlegen, wie ein peinlicher Moment zu überwinden war.
    »Bin ich nicht«, antwortet er schließlich. Darüber möchte ich am liebsten lachen . A ber ehe ich reagieren kann, ehe ich irgendetwas sagen oder ihn um eine Erklärung bitten kann, ist er schon um das Feuer herumgerutscht und hockt vor mir.
    Er legt mir eine Hand auf dieWange. Unter seinen Fingern spüre ich jede Narbe. Mit einem R uck ziehe ich den Kopf weg, ein scharfer Schmerz zuckt mir durch den Nacken, und in meinem Schädel fängt es an zu hämmern.
    »Deine Haut ist heiß«, sagt er. Sein Blick ist wachsam.
    »Ich habe vor dem Feuer gelegen«, entgegne ich gereizt und rücke von ihm ab. Den Quilt ziehe ich wie eineWand zwischen uns hoch. »Natürlich bin ich heiß. Das bringen Flammen so mit sich.«
    Er schaut mit einer solchen Eindringlichkeit über meine Schulter hinweg in die Dunkelheit, dass ich mich beinahe umdrehe. »Fühlt es sich …« Er schaut mich an, während er nachWorten sucht. »Fühlt es sich an, als hättest du Feuer in den Adern?«
    Ich weiß nicht, was diese Frage soll. »Was redest du da?«
    Er schaut angestrengt auf seine Hände. »In dir«, fährt er fort. »Hast du das Gefühl, du würdest sterben? Als würde die Hitze dich auffressen?«
    Ich rappele mich auf und stolpere weg von ihm. »Was ist das für eine Frage?« EineWelle der Übelkeit erfasst mich, ich presse die eine Hand auf den Bauch, die andere auf den Kopf, damit dieWelt aufhört, sich so schnell zu drehen. Ein paar Mal blinzele ich, Catcher und das Licht verschwimmen miteinander, dann bekommt er wieder Konturen.
    »Annah …«
    »Nein.« Ich schneide ihm dasWort ab. »Ich kenne dich nicht, und du kennst mich nicht.Warum fragst du mich solche Sachen?Was ist los?«
    Er steht auf, die Arme locker an den Seiten, als wolle er seine Harmlosigkeit beweisen, doch ich falle nicht darauf rein. Ich schaue mich auf dem Bahnsteig um, überlege, wo ich hinlaufen könnte, um ihm zu entkommen. Wieder krampft sich mein Magen zusammen, ich verliere das Gleichgewicht und taumele.
    Er will mir helfen, aber ich wehre ihn ab. »Komm mir nicht zu nahe«, knurre ich.
    Sein Blick wird hart. »Ich muss wissen, ob du angesteckt bist«, sagt er. SeinTon ist rau.
    Ich brauche einen Moment, bis ich seineWorte verarbeitet habe, aber sie ergeben keinen Sinn. »Warum sollte ich angesteckt sein?«
    »Weil du offensichtlich krank bist. Du kannst dich kaum auf den Beinen halten. Irgendetwas stimmt nicht mit dir, und du bist mit meinem Blut in Berührung gekommen, als wir gestürzt sind«, erwidert er sachlich.
    Ich runzele die Stirn. Ich habe schon viele Menschen gesehen, die angesteckt waren. Die Frau letzte Nacht zum Beispiel. Ich weiß, wie so etwas aussieht und wie es dazu kommt, und es ist ausgeschlossen, dass es das ist, was mir fehlt. Ich bin nicht gebissen worden, deshalb kann ich auch nicht angesteckt sein. »Was hat dein Blut denn damit zu tun?«
    Er starrt mich lange an, irgendwie scheint er frustriert zu sein, weil ich ihn nicht verstehe. »Weil ich angesteckt bin«, sagt er schließlich.
    Ich nicke langsam und verschränke die Arme vor der Brust. »Ich weiß. Ich habe gesehen, was auf der Brücke passiert ist . A ber ich bin mir einigermaßen sicher, dass du die Ansteckung nicht weitergeben kannst, bevor du tot bist. Und soweit ich das beurteilen kann, bist du das noch nicht.«
    Plötzlich wird mir klar, wie gefühllos das klingt. Ich habe zwar gewusst, dass er angesteckt ist, doch ich habe nicht darüber nachgedacht, was das für ihn bedeutet. Er stirbt. Der Mann, der vor mir steht, der so stark, gesund und gut aussieht, wird in wenigenTagen tot sein. Ich bin es gewohnt, dass Menschen angesteckt werden, sterben und zurückkehren – das passiert ständig in den Neverlands, damit schließt man ziemlich

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