Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan
Vom Netzwerk:
Gerüchte überTunnel, die so tief sind, dass dieToten dort schlafen. Dort verharren sie, bis schon der leichteste Geruch nach lebendigem Fleisch sie weckt und sie in einem Schwall an die Oberfläche dringen lässt.
    Alle paar Jahre gibt es einen neuen Ausbruch in der Dunklen Stadt. Gerüchten zufolge beginnt die eine Hälfte dieser Ausbrüche in den Neverlands, die andere unter der Erde. Ich will nicht diejenige sein, die diese Theorien auf ihrenWahrheitsgehalt überprüft. Vielleicht ist es ja auf den Straßen nicht sicher, aber wenigstens gibt es dort Luft und Licht – und man ist nicht von Mauern eingeschlossen wie in einer Grabkammer.
    »Ist das dieTreppe, die wir heruntergekommen sind?« Ich gehe darauf zu. Catcher nickt, folgt mir aber nicht. Ich drehe mich um, er kann mich nur im Profil sehen, mit der sauberen, glatten Haut. Ich denke daran, wie ihm Abigail auf der Brücke das Leben gerettet hat.
    »Sehe ich aus wie sie?« DieWorte sind schon aus meinem Mund, ehe ich sie zurückhalten kann. Ich kralle die Finger in den zerlumpten Saum meines Mantels. Ich muss es wissen. »Wie meine Schwester«, ergänze ich, als ob er es nicht gleich verstanden hätte.
    Catcher kommt auf mich zu, jeder Schritt hallt in der düsteren Kammer wider. Der Feuerschein zuckt auf seiner Haut, Schatten umspielen seine Augen. Eben außerhalb meiner R eichweite bleibt er stehen. Einen Augenblick lang atmet er nur, alle Muskeln in meinem Nacken sind angespannt.
    Ich werde rot. Ist doch egal, ob ich so aussehe wie sie oder nicht. »Ach, was soll’s«, murmele ich und drehe mich wieder zur Dunkelheit und derTreppe um.
    »Ja und nein«, sagt er.
    »Lass mich raten«, entgegne ich höhnisch und wirbele zu ihm herum. Ich hebe einen Finger und drücke ihn auf die glatte Seite meines Gesichts. »Ja.« Dann tippe ich den Finger auf die Narben. »Und nein.«
    »Das habe ich nicht gemeint.« Er rückt ein kleines Stück näher.
    Ich weiche zurück. Noch weiß ich immer noch zu wenig, um ihm zu vertrauen. So nah kann ich ihn nicht an mich herankommen lassen.
    »Ihr seid einfach verschiedene Menschen.« Er versucht diese Aussage zu erklären. »Verschiedene Persönlichkeiten. Das spiegelt sich in eurem Aussehen.«
    »Egal«, sage ich und wedele abwehrend mit der Hand, dabei steige ich die ersten Stufen hoch. War eine dumme Frage.
    Seine Schritte folgen mir in die Dunkelheit, und nun, wo ich unsichtbar bin, werde ich ruhiger und sicherer. Nach einerWeile atmen wir beide im Rhythmus unserer Schritte, unsere Hände gleiten am rostigen Geländer nach oben. Bald hat die Bewegung die Kälte desTunnels verscheucht, klammer Schweiß rinnt mir den R ücken herunter.
    »Ich glaube, du solltest mir endlich erzählen, was los ist«, sage ich, als wir fast oben sind.
    Er zögert, gerät aus demTritt. »Was willst du wissen?«
    Ich bleibe stehen, und er stößt gegen mich, seine Hände gleiten über meine Arme, als er sich abfängt.Warm fühlt er sich an, beinahe schon heiß. Er zuckt zurück und murmelt eine Entschuldigung, die ich ignoriere.
    Seine Umrisse kann ich kaum ausmachen, so dunkel ist es hier. Er ist nicht mehr als das Atemgeräusch, das Ra scheln von Kleidern und der Klang von Schritten. So bewusst auf die Geräusche zu hören, die er von sich gibt, hat schon beinahe etwasVertrauliches. Mir wird unbehaglich.
    Ich ziehe mich weiter von ihm zurück, mit der Entfernung wird die Hitze schwächer, die sein Körper ausstrahlt, und Kälte tritt an ihre Stelle. »Ich will wissen, warum du so tust, als würdest du mich kennen. Ich will wissen, warum mein Bru… – warum Elias dir gesagt hat, dass du mich finden sollst. Ich will wissen, was mit meiner Schwester los ist und was du hier machst. Mit mir.«
    Er tritt auf der Stelle, von einem Fuß auf den anderen, dann seufzt er. »Ich kenne Elias, weil er zu mir gekommen ist, um mich zu töten, als ich angesteckt wurde. Und als ich mich nicht gewandelt habe, war er derjenige, der mir von der Immunität erzählt hat.«
    Ich will etwas sagen, aber er schneidet mir dasWort ab. »Und deine Schwester kenne ich, weil ich mit ihr aufgewachsen bin.«
    Das ist zu viel. Ich setze mich auf die Stufen. Er streicht mir übers Haar, berührtWange und Schulter, als er suchend nach mir tastet. Dann setzt er sich neben mich, seine Hitze hüllt uns ein. Ich lege die Hand auf dieTreppe, ich muss mich erden, damit dieses Drehen aufhört.
    »Du bist mit Abigail aufgewachsen?« Meine Stimme ist nur ein Lufthauch im Dunkeln. »Aber

Weitere Kostenlose Bücher