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Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan
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hebe ich den Kopf und schaue ihm in die Augen. Wie stelle ich nur die richtigen Fragen?
    »Ich …« Er hält inne und leckt sich die Lippen, als ob er nervös wäre. »Ich muss bloß wissen, dass mit dir alles in Ordnung ist. Du warst von oben bis unten mit meinem Blut bespritzt, und ich weiß nicht …« Er lässt den Satz ins Leere laufen. »Ich weiß nicht, ob ich die Ansteckung weitergeben kann. Vielleicht bin ich ja immun, aber trotzdem in der Lage, andere anzustecken. Ich habe mich bemüht, es nicht herauszufinden.« Er versucht, die Unsicherheit und Angst, die in seiner Stimme mitschwingen, nicht offen zu zeigen.
    Ich kann mich noch an den Geschmack in meinem Mund erinnern, unten an derTreppe: metallisch und erdig. Ich erinnere mich, wie es sich angefühlt hat, die Klinge an seinen Arm zu halten und wie glitschig sein Blut auf meinen Händen war. Ich erinnere mich noch, wie ich mir diese Finger vor den Mund gehalten habe, um das Würgen zu unterdrücken.
    Jetzt ist kein Blut mehr darauf. Er muss sie mir gewaschen haben, als ich ohnmächtig war. Ein seltsames Gefühl flammt bei dieserVorstellung in mir auf – wie fürsorglich und umsichtig von ihm.
    Aber dann wird mein Kopf klarer. Ich habe geschlafen – und er hat mich angefasst. Ich reibe mir den Arm, weiß nicht recht, was ich von dieser Erkenntnis halten soll.
    »Wenn ich angesteckt wäre, würde ich das wissen«, sage ich energisch genug, um uns beide zu überzeugen. Obwohl sich jetzt ein kleines bisschen Furcht bei mir eingeschlichen hat und Sorge darüber, dass er recht haben könnte mit dem, was er sagt. Schließlich könnte die Ansteckung in diesem Moment von mir Besitz ergreifen.
    Ich habe den Gedanken daran nie zugelassen, wie es sich anfühlen würde. Ich habe mir vorgestellt, tot zu sein, eine der Ungeweihten zu sein, aber ich habe immer vermieden, an die Zeit dazwischen zu denken – an die Zeit, in der man es weiß. Wie muss das für ihn gewesen sein – diese toten Zähne zu spüren und zu begreifen, dass alles vorbei ist?
    Catcher schaut mich immer noch an, beinahe so, als würde ihm etwas an mir liegen. Doch das ergibt keinen Sinn und bereitet mir Unbehagen. Er kennt mich nicht, und ich kenne ihn nicht. Ich sollte mich bei ihm nicht sicher fühlen. Ich sollte nicht immer noch hier sein, sondern ihm vors Knie treten und nach oben rennen . A ber nichts davon mache ich, weil ich noch immer nicht herausgefunden habe, wer dieser Typ ist und wie es sein kann, dass er sowohl meine Schwester als auch Elias kennt.
    »Mir geht es gut«, blaffe ich.
    Er wirkt erleichtert, und weil er das verbergen will, dreht er sich um. Er will mir nicht zeigen, wie viel Angst er gehabt hat. »Bist du sicher?«, fragt er mit schwacher Stimme.
    Ich nicke. »Ich habe mir den Kopf gestoßen, als wir gefallen sind. Mir ist schwindelig und übel . A ber ich bin nicht angesteckt.«
    Er schließt die Augen und legt die Finger auf die Lider. Mir kommt es so vor, als würde ich etwas beobachten, was ich nicht sehen sollte, als ob er etwas von sich zeigen würde, das für eine Fremde wie mich viel zu persönlich ist.
    Ich wende den Blick ab und räuspere mich, ich muss das Schweigen brechen und will unbedingt herausfinden, was hier vorgeht. »Warum warst du letzte Nacht auf dem Dach?«
    Er fasst sich wieder in den Nacken . A m liebsten würde ich ihn anschreien, dass er das lassen soll. Er soll aufhören, mich an Elias zu erinnern. Ich atme sogar schon tief durch und mache mich bereit, etwas zu sagen, als er sich mit den Fingern durchs Haar fährt.
    »Du sahst aus, als ob du Hilfe brauchen könntest«, sagt er. Ich verziehe missmutig das Gesicht. Das ist wieder eine Antwort, mit der ich nichts anzufangen weiß. Das kann er gut, wird mir langsam klar.
    »Woher wusstest du, wer ich bin? Oder gehört das zu deinen Gewohnheiten, immer wenn du in eine neue Stadt kommst und fast ertrinkst, jungen Mädchen aus der Patsche zu helfen?« MeineWorte hallen ein wenig nach in dem Gewölbe, in dem wir stehen.
    Er soll endlich zugeben, dass er meine Schwester kennt. Er soll an meinen Narben vorbeischauen und unsere Gemeinsamkeiten erkennen.
    Er geht zu dem kleinen Feuer, hält aber Abstand, als er sieht, wie meine Hand das Messer fester umschließt. Es ist klar, dass ich ihm immer noch nicht traue.
    Er hockt sich hin, und ich beobachte ihn durch die Flammen. »Ich habe dich gesehen, als du den R ekrutern weggelaufen bist, und ich bin dir gefolgt.«
    Wieder gleiten kalte Schauer über meine

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