Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)
damit er mich nicht verliert – das gibt mir die Sicherheit, dass er noch da ist. Ellenbogen bohren sich mir in die Rippen, und manche Leute zischen mich an, als ich mich durchdrängele, aber ich beachte sie gar nicht . A ls wir uns der Spitze des R udels nähern, brüllen uns die R ekruter an, die dasTor bewachen. Wir sollen Abstand halten.
Schon liegt ein Dutzend Leichen in der Schneise zwischen der Menge und dem Zaun, und eine Handvoll Leute beugt sich über dieVerletzten. Ich bleibe auf der Stelle stehen, aber mein Körper vibriert . A lle sind so hektisch, es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Panik voll zum Ausbruch kommt.
Elias tritt mit seitlich abgewinkelten Armen und nach vorn gewandten Handflächen vor, um zu zeigen, dass er auch R ekruter und unbewaffnet ist. Er will den kreischenden Mob überschreien, aber seine Stimme geht im Gebrüll der anderen unter. Schließlich winkt der R ekruter amTor Elias heran.
Catcher hält sich an meiner Schulter fest, während wir bei denVerhandlungen zuschauen. Der R ekruter schüttelt den Kopf, Elias’ Gesten werden entschlossener und grimmiger. Er dreht sich um, sein Gesicht ist rot und wütend, da öffnet sich hinten am Bahnsteig eine Tür der Seilbahn, und ein großer Mann steigt aus.
Er trägt eine R ekruteruniform, aber keine fadenscheinige, zerrissene wie alle anderen, sondern eine frische, saubere mit einem roten Streifen Stoff über der Brust. Mit großen Schritten geht er auf den Zaun zu, den Blick fest auf Catcher gerichtet.
Sein Mund bewegt sich, er gibt einen Befehl, ich glaube, er sagt demWachmann, dass er uns durchlassen soll.
Die Menge wogt und schreit um uns herum. Neben mir fällt ein Mädchen hin, doch ehe ich ihr aufhelfen kann, drängen alle über sie hinweg und mich zur Seite.
Catcher schiebt mich zumTor. Ein Haufen R ekruter versucht die Massen von panischen Leuten im Zaum zu halten. Sie klettern am Zaun hoch, die Stacheldrahtrollen auf dem oberen Rand sind ihnen völlig gleichgültig. Ich kann nicht hinsehen, wie sie sich durch den Draht winden, helles Blut läuft über ihre Haut.
Mein ganzer Körper krampft sich zusammen bei der Erinnerung an den rasierklingenscharfen Draht in meinem Fleisch, an das Brennen und Stechen. Catcher schlägt einen Mann, der mir meinen Platz vor demTor streitig machen will. Leute schreien und heulen mir in die Ohren, kratzen mich … da geht dasTor einen Spaltweit auf.
R ekruter zerren erst mich hinter den Zaun, dann Catcher. Das ist zu viel für die Zurückbleibenden. Sie spüren die Chance und stürmen los, rütteln am Zaun und hämmern ansTor.
Die R ekruter eröffnen das Feuer, ihnen ist egal, wohin sie schießen. Einer zündet Flaschen an, Alkohol vermutlich, und wirft diese behelfsmäßigen Bomben in die Menge. Die Flammen züngeln und greifen um sich. Leute versuchen sie auszutreten, aber es ist kein Platz; Menschen geraten in Brand und schlagen um sich.
Ich werde den Bahnsteig entlanggestoßen, längst achte ich nicht mehr darauf, wer mich packt und warum. Grobe Hände schubsen mich in einenWagen, der schon angefahren ist, das Stahlkabel zieht die Kabine hoch und davon.
Sämtliche Geräusche werden vom Lärm des Aufstands übertönt. Ich drücke das Gesicht ans Fenster und beobachte, wie wir das Ufer hinter uns lassen. Die paar R ekruter, die noch die Station bewachen, können die Flut der panischen Menschen nicht mehr abwehren und werden bald von der Menge eingeschlossen.
Einige stürzen sich auf die Seilbahn, aber wir sind schon zu weit weg, die Kabine schwingt von einer Seite zur anderen, als wir langsam über den Fluss gezogen werden. Ich spüre, wie das Stahlseil unter unserem Gewicht erzittert, die ganze Kabine ist voll besetzt mit R ekrutern.
Verzweifelt schaue ich mich um, dann spüre ich Catchers Hitze an meinem R ücken. »Wir haben es geschafft«, flüstert er mir ins Ohr. Er nimmt meine Hand. Ich zittere am ganzen Körper, überwältigt davon, wie knapp wir entkommen sind – und wie viele Menschen wir zurückgelassen haben.
Um mich herum machen Männer Platz, als der dicke R ekruter mit der roten Schärpe sich zu uns durchdrängt. Er bleibt vor uns dreien stehen, ich drehe mich zu ihm um. Er schaut erst Elias an, dann mich und zum Schluss Catcher, dann grinst er wie ein Raubtier.
»Schön, dich wiederzusehen«, sagt er.
»Conall.« Elias’ Stimme klingt gepresst. »Du hast uns Sicherheit versprochen.«
Ich schaue in die Gesichter ringsherum, alle sind angespannt nach den
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