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Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan
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mit Gabry? Du hast gesagt, dass ich sie sehen kann!«
    »Alles zu seiner Zeit«, erwidert Conall gelassen und knallt die Tür zu, ehe Elias oder Catcher ihn daran hindern können.
    Ich bleibe mit Conall und drei R ekrutern auf dem Flur stehen. Elias und Catcher hämmern gegen die Tür. Ich schlucke, denn mir fällt wieder ein, aus welchen Gründen ich den R ekrutern auf der Insel willkommen sein könnte.
    Sie dürfen mir meine Angst nicht anmerken. »Was soll das?«, frage ich ruhig. Mein Herz hämmert, ich straffe den R ücken und hebe das Kinn – dann warte ich, was als Nächstes passiert.
    »Für dich haben wir andere Pläne.« Conall mustert mich von oben bis unten, sein Blick bleibt an meinen Narben haften, er wirkt angeekelt. »Du siehst ihr überhaupt nicht ähnlich«, sagt er, dann geht er den Flur wieder hinauf und bedeutet mir, ihm zu folgen. Mein Gesicht ist hochrot, und an die Stelle all der Furcht, die ich hätte empfinden können, tritt eine angenehm vertrauteWut.
    Ich folge ihm mehrereTreppenfluchten hinauf, unsere Schritte hallen laut in dem engenTreppenhaus wider. Je weiter wir uns von meinen Freunden entfernen, desto zaghafter werden meine Schritte. Ich bin es gewohnt, auf mich selbst achtzugeben, denke ich immer wieder, nur damit meine Hände nicht zittern.
    Wir kommen zu einer Tür, die aufs Dach hinausführt, und mir sträuben sich die Härchen im Nacken, als Conall mich nach draußen schubst. Ich stolpere und falle auf die Knie, kleine Steine bohren sich durch meine Hose und brennen auf den Handflächen, die Überraschung macht mich sprachlos. Über die Schulter hinweg schaue ich den Mann finster an.
    »Ox will mit dir reden«, sagt er und weist mit einer Kopfbewegung auf eine Gestalt, die am Rand des Daches auf die Dunkle Stadt schaut. Conalls stechender Blick richtet sich noch einmal auf meine Narben. Er schüttelt den Kopf, bevor er wieder hineingeht und die Tür hinter sich zuknallt.
    Ich stehe langsam auf und wische mir die Hände an meinem Mantel ab. Der Wind fegt über den Fluss und dringt unerbittlich durch meine Kleider.
    Flammen nagen noch immer an den Neverlands, und irgendwie wünschte ich, die Wärme würde bis hierher reichen. Ich habe es so satt zu frieren. Ich bin so müde. Und hungrig. Und schmutzig. Und wütend.
    Ich bleibe stehen, weigere mich, über das Dach zu gehen. Das ist der einzige Akt des Widerstands, zu dem ich noch fähig bin. Der Mann, Ox, schaut über die Schulter, sieht mich und geht mit großen Schritten auf mich zu.
    »Du musst die Schwester sein«, sagt er. »Annah.«
    Er ist ein großer Kerl: speckiger Nacken, rasierter Kopf, muskulöse Arme und breite Schultern. Er ist viel größer als ich, und ich komme mir klein und zierlich vor, aber nicht auf gute Art. Denn wenn er wollte, könnte mich dieser Mann mit einer Hand vom Dach schleudern.
    Aber es ist nichts Boshaftes in seinen Augen, und deshalb nicke ich.
    »Ich bin Ox«, erklärt er. Wieder nicke ich. Ich denke daran, die Tür aufzureißen und dieTreppe nach unten zu rennen, aber wo soll ich denn hin? Ox kann ich auf keinen Fall entkommen. Ich bin ihm total ausgeliefert.
    Das sind wir alle. Ich erinnere mich noch an das Gerücht, dass die R ekruter nach der R ebellion als Zeichen ihrer Macht rings um die Stadt herum Schädel auf Pfähle gesteckt haben sollen. Ein Befehl – und meiner könnte einer davon sein.
    Schweigend stehen Ox und ich nebeneinander und schauen auf die Dunkle Stadt.Wolken sind aufgezogen, sie hängen tief und verheißen Schnee. Immer noch stürzen sich Leute in den Fluss, um zu entkommen. Die R ekruter auf der Schutzmauer des Inneren Bereichs sind emsig dabei, jeden zu erschießen, der versucht, schwimmend oder mit dem Boot ans Ufer zu gelangen. Ich beobachte, wie sie auf eine Gruppe von Jungen zielen, die an den Stahlseilen zur Insel hinüberklettert. Sogar hier oben kann ich noch hören, wie sieWetten abschließen, wer zuerst hinunterfallen wird – und welchen Jungen sie als Nächstes ins Visier nehmen sollen.
    Die Hälfte der Bolzen geht daneben, aber genug treffen auch, sodass ein Junge nach dem anderen in den eiskalten Fluss fällt. EineWeile halten sie sich noch an der Oberfläche, dann färbt ihr Blut dasWasser rot.
    Vielleicht sind Elias, Catcher, meine Schwester und ich ja sicher hier, aber ich frage mich, ob sich der Aufwand lohnt, der zu unserem Schutz getrieben wird . A bgesehen davon – wie lange ist so etwas aufrechtzuerhalten?
    »Ist es nicht wunderschön?«, sagt Ox.

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