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Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan
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einem Drahtgitter durchzogen. Dahinter sieht alles aus wie auf einem alten Foto.
    Durch das Fenster sehe ich Elias, der auf einer Bank sitzt. Catcher steht auf der anderen Seite des Hofes, er hat uns beiden den R ücken zugekehrt.Vor Erleichterung schlägt mein Herz wie wild, und ich fange an zu keuchen. Gerade will ich den Türknopf drehen und nach draußen rennen, da geht Elias’ Kopf mit einem R uck hoch, und er erstarrt.
    R echts von mir öffnet sich eine Tür, ein Mädchen rennt nach draußen, weißblondes Haar weht hinter ihr her. Ihr Freudenschrei wird von dem dicken Glas zwischen uns gedämpft, aber nichts trübt Elias’ Miene.
    Er zeigt reine Freude und Bewunderung.
    Sie breitet die Arme aus, und er zieht sie an sich und wirbelt sie herum, dass ihre Beine in der Luft zappeln. Er stolpert, und die beiden fallen auf ein dickes Büschel schneebedecktes Gras. Sie landet auf ihm und presst sich an ihn.
    Da erst kann ich ihr Gesicht richtig sehen. Es ist meins. Das bin ich. Mein Blut stockt in den Adern, mein Kopf will nicht begreifen, was da vorgeht, und meine Lungen verweigern den Dienst.
    Ich beobachte, wie ich mich über Elias beuge, das saubere Haar fällt mir über die Schulter und berührt sein Gesicht. Er streicht es mir hinters Ohr. Meine Finger berühren Elias’Wange, er lächelt und hat nur Augen für mich.
    Außer Elias und mir gibt es nichts auf derWelt.
    Nur bin ich das nicht. Ich stehe hier im Korridor. Ich bin nur Zuschauerin, als er die Hand auf ihreWange legt, als er mit dem Daumen an ihrer Lippe entlangstreicht.
    Und weil ich das nicht bin, die da auf ihm liegt, weil ich es nicht bin, die er berührt, sind keine Narben da. Die Haut ist makellos glatt. Denn er berührt ja nicht mich. Er berührt meine Schwester Abigail.
    Und da zerbricht mein Herz, die Scherben bohren sich durch meine Haut, rasiermesserscharf schneiden sie an jeder meiner Narben entlang.
    Abigail lächelt. Ihr Gesicht spiegelt reinste Freude, und Elias erwidert ihr Lächeln. Seine Augen strahlen liebevoll, als er sie an sich zieht und küsst.
    Das ist Leidenschaft,Verlangen undVerehrung. Er fasst ihr ins Haar, sie packt seine Schultern.
    Und mich durchzuckt ein weißglühender Schmerz. Elias knabbert an ihrem Ohr, sie schlägt lachend nach ihm. Er hält ihre Hände fest und zieht sie wieder an sich. Ganz fest. Sie schmiegen sich aneinander. Ich kann nicht hören, was er zu ihr sagt, was er ihr in die perfekten Ohren murmelt, aber ich kann spüren, dass dieWorte Gewicht haben. Es ist, als würden sie meine leere Brust füllen und mich in die Tiefe ziehen.
    Er legt Abigail die Hände auf dieWangen. Seine Augen verschlingen sie geradezu, seine Lippen streichen über ihre Stirn und am Haaransatz entlang übers Ohr zum Kinn, bis sein Mund über ihrem schwebt.
    Ich kann nicht atmen. Kann mich nicht rühren. Kann nichts fühlen in meinem Körper, weil alles taub ist – nur nicht die zerrissenen Stücke meines Herzens. Ich bin zu Staub verwandelt worden, und gleich werde ich weggeblasen und in alle Richtungen verstreut.
    Ich befehle meinen Beinen, sich zu bewegen . A ber sie tun es nicht. Ich bitte meine Augen, sich zu schließen . A ber sie wollen nicht. Ich bettele, das alles möge nur ein Irrtum sein. Elias ist nur verwirrt, in Wirklichkeit glaubt er, mich in den Armen zu halten . A ber dann formt er mit den Lippen ihren Namen: »Gabry.«
    Zuerst begreife ich nicht, dass der Laut von mir kommt, ein unglaublich lautes keuchendes Geheul – Catcher hört es, über den Hof hinweg, mit Elias und meiner Schwester zwischen uns. Er schaut auf und sieht mich durchs Fenster.
    Da wird mir klar, dass er auch die Liebenden beobachtet hat,Verzweiflung und unterdrücktesVerlangen entstellen sein Gesicht. Er kommt auf mich zu, und in diesem Augenblick geht Abigails Kopf hoch, und unsere Blicke treffen aufeinander.
    Wie oft hatte ich davon geträumt, dass meine Schwester noch lebt. Ich hatte so viele Nächte durchwacht, es mir von Sternschnuppen gewünscht und jeden Gott, der mir zuhören wollte, angefleht, dass ich sie einesTages wiedersehen möge, gehofft, dass sie irgendwo in Sicherheit war, geliebt und geborgen – doch nie hatte ich mir unser Wiedersehen so vorgestellt.

16
    I ch drehe auf dem Absatz um und renne. Meine Füße gleiten über den Betonboden, als ich Flure entlangrase, willkürlich nach links und rechts abbiege und mich nicht um die Schritte kümmere, die mir folgen.
    Schließlich finde ich denWeg nach draußen, bittere Kälte

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