Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)
Gabry die Stadt erreichten. Ich hatte gehofft, dich warnen – mir irgendwas überlegen zu können . A ber sie haben Gabry gefunden und mitgenommen – und da hatte ich keineWahl.«
Er streckt die Hand aus, als wolle er mich anflehen, ihm zu glauben. »Als ich von der Horde erfahren habe, versuchte ich eine andere Lösung zu finden, aber Catcher zu benutzen, war die einzige Möglichkeit, dich und Gabry im Inneren Bereich unterzubringen.«
»Du hast getan, was getan werden musste, um zu überleben«, zische ich und werfe ihm damit CatchersWorte an den Kopf.
Er nickt nur. »Das haben wir immer gemacht, Annah. Das haben wir immer gemacht.«
Ich schließe die Augen und versuche den Sinn in all dem zu sehen. Elias hat recht, in der Dunklen Stadt wären wir inzwischen entweder tot oder in Not . A ber dass er uns angelogen und verraten hat, wird dadurch nicht weniger schmerzhaft.
»Wie lange bist du schon zurück?«, frage ich. Ich mache die Augen nicht auf, höre aber, wie er sich bewegt, und das metallische Klirren von Nadeln, die über den Betonboden rollen. Mit angehaltenem Atem warte ich auf die Antwort.
Fünf Schritte – und er hat den Raum durchquert. Er fasst mich an den Schultern und wartet, bis ich ihn anschaue. Seine farblosen Augen sind mir so schmerzlich vertraut. »Auf dieseWeise können wir überleben, Annah. Haben wir darum nicht immer gekämpft? Habe ich dir nicht am Anfang versprochen, dafür zu sorgen, dass wir beide überleben? Die R ekruter können das … Catcher kann das für uns tun.«
Meine Frage beantwortet er nicht, was bedeutet, dass er sich schon eine ganzeWeile in der Dunklen Stadt aufgehalten hat. Er hätte mich finden können, hat es aber nicht getan. Dass er mich warnen wollte, war wohl einfach eine seiner Lügen.
Ich starre ihn an. Wie kann er nur so fest an das glauben, was er da sagt? »Ich weiß nicht, ob ich auf Kosten von jemand anders überleben kann«, sage ich. Und dann geht mir auf, dass ich eines gelernt habe in der Zeit, in der Elias weg war: »Ich kann für mich selbst sorgen.« Das Zittern in meiner Stimme versuche ich zu ignorieren. Dann drehe ich mich um, gehe aus dem Raum und lasse ihn und die Landkarten hinter mir.
20
I ch wandere durch die schäbigen grauen Flure. Mein Magen ist schmerzhaft leer, als ich dem Essensgeruch folgend an kahlen Räumen vorbeigehe, die nichts als abgestandene Luft enthalten. Es muss Abend sein, vor dem Fenster hat sich das Licht durch schneebeladeneWolken gekämpft und schimmert matt auf dem dünnenWeiß, das den Boden bedeckt.
Ein paar Mal verirre ich mich, alle Korridore sehen gleich aus, aber am Ende stoße ich auf den Ursprungsort des Geruchs, einen langen, schmalen Raum voller alter Tische. Die meisten sind unbesetzt, ich schlüpfe also hinein und halte den Kopf gesenkt, damit mir das Haar ins Gesicht fällt.
Obwohl ich mich bemühe, nicht aufzufallen, bemerken mich die paar R ekruter auf den im Raum verteilten Stühlen. Die Stille ist unbehaglich – Gabeln verharren auf demWeg zum Mund in der Luft, jemand bleibt mit einem schmutzigenTeller in der Hand stehen –, und alle starren mich an.
Aber ich bin zu hungrig, um derWarnung meiner inneren Stimme zu folgen, schleunigst zu verschwinden. So unauffällig wie möglich gehe ich zumTresen, auf dem Schüsseln mit grauem Essen stehen: irgendeine Suppe, irgendein Fleisch, ein paar Krusten Brot. Hastig fülle ich einenTeller, dabei spüre ich, wie die Augen der R ekruter jede meiner Bewegungen verfolgen.
Als ich mich umdrehe, weiß ich nicht, wohin ich gehen soll. Ich steuere einen kleinen Tisch in der hintersten Ecke an, aber einer der Männer schlingt mir den Arm um dieTaille und zieht mich an sich. Meine Hüfte schrammt an seiner Tischkante entlang, ich zucke zusammen und wehre seine grapschenden Hände ab.
»Hier haben wir Platz«, grunzt er. Sein Gesicht ist dreckig, an den Mundwinkeln klebt Soße.
»Nicht nötig«, erwidere ich spitz. Ich habe Ox’ Ermahnung im Kopf, ja keinen Ärger zu machen, und schaue mich um, ob vielleicht einen der anderen Männer interessiert, was hier passiert . A lle sehen her, aber keiner rührt einen Finger.
»Eine wie dich zur Gesellschaft könnte ich schon gebrauchen«, drängt der Mann. Seine Finger bohren sich in meinen Hintern.
»Nein, bestimmt nicht«, antworte ich mit fester Stimme. Er soll nicht merken, dass ich Angst bekomme. »Das geht schon.« Ich mag nicht, dass er mich anfasst, der Geruch seines Atems vermischt sich mit dem des
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