Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan
Vom Netzwerk:
abgestandenen Essens.
    »Ein hübsches Mädchen wie du.« Er steht auf und streckt die Hand nach meinem Gesicht aus, dabei stößt er an den Suppenteller, an den ich mich klammere, und Suppe spritzt auf sein Hemd.
    Mit einem Satz springe ich weg, Übelkeit steigt in mir auf. DieWut kocht in dem Mann hoch, sein Gesicht läuft rot an. »Du Miststück.« Er holt zu einem Faustschlag aus. Ich zucke zusammen, krümme mich und will mich wegdrehen, damit der Schlag mich nicht mit vollerWucht trifft. Die Fäuste habe ich geballt, bin aber so schlau, nicht loszuschlagen und den offensichtlich stärkeren Mann zu provozieren.
    Um uns herum stehen die Männer von ihren Plätzen auf, Stuhlbeine scharren über den Betonboden. Keiner sagt etwas oder greift ein.
    »Was ist hier los?«, bellt jemand . A us dem Augenwinkel sehe ich die Beine eines großen Mannes, der den Raum betritt. Ox. Erleichtert atme ich aus.
    Ox schaut erst mich an, dann den Mann mit der erhobenen Faust. »Gibt es einen Grund dafür, dieses Mädchen zu schlagen?«, will er wissen.
    Der Mann senkt seine Hand nicht. »Sie hat Suppe über mich geschüttet«, sagt er und dreht sich, damit Ox den Fleck sehen kann.
    Ox kneift die Augen zusammen. »War sie heiß? Hast du dich verbrannt?«
    Der Mann schüttelt den Kopf.
    Ox zuckt mit den Schultern. »Wenn du sie schlagen willst, dann beeil dich. Wir haben zu tun.« Damit dreht er sich um und geht.
    Mein Herz erstarrt, vor Schock steht mir der Mund offen. Er hätte mir helfen sollen! Während ich noch fassungslos bin, geifert mich der Mann lüstern an. Ich weiche zurück, bitter schmeckende Entschuldigungen holpern über meine Lippen, aber das lüsterne Grinsen wird nur noch breiter.
    Mit dem R ücken stoße ich gegen einen anderen Tisch und stemme mich dagegen. Ächzend und quietschend rutschen die Tischbeine über den Boden. Der Mann lässt noch immer nicht von mir ab. Er scheint sich an meiner Angst zu weiden. Ich strecke die Arme aus, um ihn abzuwehren, aber er schlägt sie weg, schließlich kauere ich vornübergebeugt da und versuche die empfindlichsten Körperpartien so gut wie möglich zu schützen.
    »Wenn du nächstes Mal von einem Mann gebeten wirst, dich zu ihm zu setzen, würde ich dir vorschlagen, das auch zu tun«, sagt er. Und dann zischt seine Hand herunter, kurz und heftig trifft sie meine linkeWange. Schmerz explodiert in meinem Kopf. Ich unterdrücke ein Stöhnen und versuche, mich mit erhobener Hand zu schützen . A ufspringen möchte ich, ihm die Nägel in die Augen krallen, aber ich zwinge mich, zusammengekauert auf dem Boden liegen zu bleiben.
    Der R ekruter lacht und stößt den leeren Suppenteller mit dem Fuß in meine Richtung, dann ruft er großspurig seinen Freunden etwas zu, sie verlassen alle den Raum und lassen mich in der Ecke liegen.
    Eine ganzeWeile bemühe ich mich, wieder ruhig zu atmen. Wie habe ich nur so schnell die Kontrolle verlieren können? Ich verfluche mich, weil ich nicht stärker gewesen bin oder schlau genug, die Situation zum Besseren zu wenden.
    Ox hätte einschreiten können, hat es aber nicht getan. Es war also ernst gemeint, als er sagte, er würde immer zu seinen Männern stehen und meine Aufgabe sei es, mich aus Schwierigkeiten herauszuhalten. Ich habe geglaubt, für mich selbst sorgen zu können. Seit Jahren passe ich allein auf mich auf und habe gelernt, wie man den R ekrutern und ihrer Grausamkeit aus demWeg geht . A ber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich das noch kann … hier … im Inneren Bereich.
    Schließlich verlasse ich den Raum, schaue vorsichtig um jede Ecke, ehe ich die Korridore hinunterschleiche, immer an derWand lang, als ob ich mich so schützen könnte.
    Noch nie war mir kälter, nie war ich einsamer oder müder. Hoffnungslosigkeit übermannt mich und nimmt mir jegliche Energie.Tränen der Hilflosigkeit trüben meinen Blick, aber dieWut bleibt aus, die normalerweise mit solchen Gefühlen einhergeht.Wut bin ich gewohnt, sie schürt in mir die Kampfeslust, die nötig ist, um den nächstenTag, die nächsteWoche oder den nächsten Monat anzugehen . A ber jetzt ist da nichts.
    Teilnahmslos und erschöpft durchwandere ich die Korridore, versuche Elias, Catcher oder meine Schwester zu finden, folge den Sternen, die am Himmel auftauchen, und lasse mich von der Schwerkraft mitziehen. MeineWange pocht, ich drücke sie ans Fenster und lasse den Schmerz von der kalten Nacht betäuben.
    Still und verloren stehe ich da, als ich so etwas wie Jubel höre.

Weitere Kostenlose Bücher