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Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan
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Streifen.
    Ich schaue über den Fluss auf die Stadt. Die Feuer in den Neverlands sind größtenteils ausgebrannt, obwohl einige Schutthaufen noch qualmen. In der Dunklen Stadt selbst glüht das Leben noch in ein paar Häusern: Leute, die sich vor der Horde in Sicherheit gebracht haben. Wie lange sie wohl überleben werden? Ob die Stadt nach der R ückkehr auch so war? Ein paar Funken Leben, die wieder aufflammen wie Glut, sobald sich die Gelegenheit dazu bietet?
    Ich frage mich, ob sie je wieder aufflammen werden oder bloß langsam verglimmen, während der Winter und die Horde voranmarschieren.
    Sogar von hier kann ich die Ungeweihten hören, ihr Stöhnen treibt mit dem eisigen Wind über den Fluss. Im Allgemeinen macht Kälte sie langsamer, aber in der Stadt ist es immer wärmer als andernorts, die Wärme hält sich in den engen Straßen. Und die Pestratten mögen zwar langsamer sein, aber trotzdem überwältigen sie die Menschen. Es gibt einfach zu viele.
    Ich lehne mich an die Mauer desTreppenhauses, das den schlimmsten Wind abfängt, der vom Fluss herüberweht.Von hier kann ich die Spitzen der altenWolkenkratzer in der Stadt sehen, ich kneife die Augen zusammen und versuche mir vorzustellen, wie sie früher ausgesehen haben. Kein nackter Stahl, sondern glänzende Türme voller Leben.
    Die Stadt muss damals so vollerVerheißungen gewesen sein, so voller Hoffnungen.
    Ich werde aus diesen Gedanken gerissen, als die Tür zumTreppenhaus aufgeht und jemand hinaus in den Schnee tritt. Ich bleibe an der Mauer und verstecke mich in den Schatten. Schon beim ersten Schritt erkenne ich Catcher. Bei seinem Anblick kribbelt es in meinem Bauch, und Wärme durchflutet meinen Körper.
    Er schaut sich flüchtig um, bemerkt mich jedoch nicht, als er auf die niedrige Mauer am Rand des Daches zugeht. Einen Moment lang schaut er wie ich über den Fluss auf die Stadt. Dann breitet er die Arme aus und legt den Kopf in den Nacken; so starrt er in den Himmel, während dasWeiß ihn umwirbelt und die Hitze seiner Haut alles verbrennt, das ihn zu berühren wagt.
    Er sieht … wunderschön aus . A ls ob er meine Gedanken hören könnte, dreht er sich um und entdeckt mich in den Schatten. Schneeflocken streifen seine Lippen und schmelzen. Sie bleiben in seinem Haar und den Wimpern hängen. Er lächelt, schief und frei, und es fühlt sich an, als sei dieses Lächeln nur für mich bestimmt.
    Hitze strömt durch meine Glieder. Nichts existiert in diesem Augenblick, nur wir beide und der saubere frische Schnee. Es ist zu viel, ich wende mich von ihm ab, verstecke mein Gesicht im Mantelkragen . A ber dann trifft mich etwasWeißes am Arm, eine pudrige Explosion.
    Ich zögere, wieder trifft mich ein Schneeball, der beim Aufprall auseinanderfällt. Catcher hält die Hände hoch, als wolle er sagen, er habe nichts damit zu tun . A ber ich kann sehen, wie rot und runzlig seine Finger sind, und um seine Knie herum sind breite Furchen im Schnee.
    Dann lacht er, und das bricht die Stille. Es ist so ansteckend, dass ich bald mitlache, mich bücke und auch anfange, das weiße Pulver fest zusammenzudrücken und zu formen. Catcher will in Deckung gehen, aber auf dem kahlen Dach findet er nirgendwo Schutz vor meinem Schneeball.
    Dann ist er an der R eihe mich zu jagen, und kreischend weiche ich seinem ersten Angriff aus, werde aber von einem Schneeball an der Hüfte getroffen, als ich selbst gerade einen auf ihn abfeuere. Wir jagen einander im Kreis herum, raffen Schnee zusammen und machen uns nicht mal mehr die Mühe, ihn zusammenzupressen, ehe wir werfen.
    Bald bin ich außer Atem. Schneekristalle glitzern überall, ihr eisiger Geschmack liegt auf meinen Lippen. Ich schaufele mit den Händen Schnee in Catchers Richtung, bis er schließlich meineTaille umschlingt und mir die Arme an die Seiten drückt. Wir schreien beide vor Lachen, als er mich herumwirbelt. Der letzte Hauch des Sonnenuntergangs entfacht glitzernde Glut in jeder einzelnen Schneeflocke.
    Catcher hat rosigeWangen, seine Augen strahlen, und ich spüre die Hitze, die durch seine feuchten Kleider dringt. Ich will mich näher an ihn drängen und seine Wärme in mich aufnehmen. Wir wirbeln jetzt so schnell herum, dass wir eigentlich auseinanderdriften müssten, aber er hält mich noch fester, während die Flocken um uns herumtanzen. Ich lasse den Kopf nach hinten fallen und schwelge in dem Glück, das zum ersten Mal seit langer Zeit in mir zu explodieren scheint.
    Schließlich hält er inne, hicksend

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