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Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan
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habeVerständnis für jemanden, der sie nicht überschreiten möchte.
    »Wie lange bist du schon hier draußen?« Wie hat mir diese kleine Gruppe entgehen können, die das Ufer absucht? Wie hatte ich so in meiner eigenenWelt versunken sein können?
    Er schaut zu den Sternen, in diesem Licht wirkt er hohlwangig. »Seit heute Morgen?« Es klingt wie eine Frage. »Die R ekruter haben uns den größtenTeil desTages drinnen behalten, sie haben gesagt, sie könnten uns nur nachts rauslassen, damit die Leute aus der Stadt nicht auf die Idee kommen, hier alles zu überlaufen.«
    »Aber wie bist du denn überhaupt hierhergelangt?Woher kommst du?«
    »Wir waren in den Neverlands auf einem Dach gestrandet, und dann hat ein Mann gesagt, wir sollen mit ihm kommen, dann seien wir in Sicherheit. Er hat uns auch zu einem Boot gebracht und rübergerudert.«
    Mir wird ganz schlecht. »Wie hieß er?«
    Er runzelt die Stirn. »Trapper? Cäsar … Irgendwas in der Art.«
    »Catcher.«
    Er lächelt schwach. »Ja, das war es.«
    Ich drücke die Nägel in meine Handflächen, denke an Catcher, der diese Leute über den Fluss gebracht hat. Der ihnen falsche Hoffnungen gemacht und sie dann hier draußen vor der Mauer im Stich gelassen hat. Der sie dazu benutzt, das Ufer von Ungeweihten zu säubern, der sie der Gefahr aussetzt, damit den R ekrutern das erspart bleibt.
    »Ihr müsst hereinkommen«, sage ich zu dem Jungen. Ich gehe zur Leiter und reiche ihm die Hand. »Es ist eisig hier draußen. Ihr braucht etwas zu essen und Schlaf.«
    Er starrt auf meine ausgestreckte Hand, in seinen Augen flackert ein Funken Hoffnung auf – und Leben. Doch dann schüttelt er den Kopf. »Sie werden mich finden und wieder über die Mauer werfen«, sagt er. »Wir können uns nur einen Platz im Inneren Bereich verdienen, wenn wir hier draußen unsere Aufgabe erfüllen.Wenn wir das Ufer sauber halten, damit sich dieToten nicht auftürmen.«
    »Das ist doch absurd. Das können sie euch nicht antun. Komm, ich nehme dich mit nach Hause.«
    Ich weiß, er wünscht sich nichts mehr, als in ein Bett mitWolldecken gesteckt zu werden – und einen Bauch voll warmem Essen und heißemTee. Deshalb ist mir auch klar, wie wahnsinnig schwer es für ihn ist, mein Angebot abzulehnen. »Ich kann nicht«, flüstert er. »Das wäre nicht gerecht.«
    »Du kannst den R ekrutern nicht trauen«, erwidere ich, aber er bleibt standhaft.
    Ich fürchte, die Antwort bereits zu kennen, aber fragen muss ich trotzdem: »Ist Amalia bei dir?«
    Schmerz zuckt über sein Gesicht. »Sie ist schon weg«, sagt er. Ehe ich weiterfragen kann, ist er in das seichteWasser gegangen, wo der R ekruter zwischen Eisscherben treibt. Ich hatte seinenTod gar nicht bemerkt. In seinen letzten Augenblicken war er völlig allein … nicht, dass er irgendetwas Besseres verdient gehabt hätte.
    Manchmal schreien dieToten, wenn sie sich wandeln, ein grausig geisterhafter Schrei. Das geschieht jetzt auch, ein jammerndes Heulen wird laut, dem ein Ende bereitet wird, als das Schaufelblatt des Jungen Hals und Wirbelsäule des R ekruters durchtrennt. Der Kopf rollt durchs seichteWasser, sein Körper tanzt sanft auf denWellen.
    In der Ferne ruft jemand, das Geheul des R ekruters hallt noch nach. Ein letztes Mal versuche ich den Jungen zum Mitkommen zu überreden, aber er geht am Ufer entlang hinter den anderen Soulern her. Und ich mache mich auf denWeg die Rampe hinunter und renne nach Hause.
    Sobald ich dort angekommen bin, zeigen dieEreignisse dieser Nacht Wirkung. Schlaf ist ausgeschlossen, die Luft im Raum ist abgestanden wie in einer Zelle. Mit dem um den Kopf gewundenen Schal ziehe ich mich aufs Dach zurück.
    Der Wind hat sich gelegt,Wolkenfetzen kleben noch an den Sternen. Der aufsteigende Mond ist fast voll, sein Schein taucht alles um mich herum in eine unwirklich leuchtende Stille.
    Meine Kiefermuskeln sind verspannt, als hätte ich zu lange versucht, einen Schrei zurückzuhalten. Die angesteckte Frau auf dem Dach fällt mir wieder ein und jene Nacht, die schon ein paar Leben zurückzuliegen scheint. Ich denke an das Gefühl, als ich die Finger in die bunte Schminke gesteckt habe – daran, mir ohneWorte Erleichterung zu verschaffen, in Bildern zu schreien.
    Ich nehme ein paar Stücke Holzkohle von einem lange verglühten Feuer auf und benutze sie zum Malen, lange schwarze Stücke zerkrümeln in meinen Händen . A lles blende ich aus, nur nicht die Freude an den Bewegungen und dasVerlangen danach. Nur ein

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