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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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Studio mehr betreten und hatte nichts mehr drauf. Durch die ständigen Raubüberfälle würde sich meine Beintechnik stark verbessern. Ich hing meinem Tagtraum nach und stellte mir vor, wie es wäre, tatsächlich in diesem Park zu leben, als vor mir ein Fahrrad hielt. Auf dem Fahrrad saß ein Junge. Er war weiß, hatte schmutzige, blonde Dreadlocks und eine Tätowierung im Gesicht. Anscheinend fielen Leute wie er in letzter Zeit massenhaft in New Orleans ein. Vermutlich hatten sie den Eindruck, es gäbe hier noch nicht genug arbeitslose, soziophobe Taugenichtse, die sich um die letzten Krumen schlugen.
    »Haben Sie mal eine Zigarette?«, fragte er.
    Ich hörte es hinter mir gackern. Ich drehte mich um und sah die königliche Frau, die über allem thronte.
    »Junge, du bist wohl verrückt«, sagte sie. Sie hatte einen kreolischen Akzent und stammte vermutlich von den Sea Islands vor Georgia. »Lass das und verschwinde.«
    Der Junge auf dem Fahrrad lachte. »Ich habe keine Angst«, sagte er.
    »Dann bist du ein dummes Stück Scheiße«, sagte die Lady. Sie gackerte laut los, und diesmal gackerte ich mit. Der Junge fuhr davon, und wir gackerten weiter.
    »Soll ich dir was verraten?«, sagte die Frau.
    »Okay«, sagte ich.
    »Gut«, sagte sie. »Geh, hol mir eine Flasche Malt Liquor, dann verrate ich dir was.«
    Ich trabte über die Straße zum nächsten Lebensmittelgeschäft und kaufte ihr eine Literflasche Starkbier. Als ich zurückkam, saß sie auf meiner Bank. Ich setzte mich dazu und gab ihr die Flasche.
    »Also los«, sagte ich.
    Sie nahm einen tiefen Schluck aus der Bierflasche. »Du verrücktes Huhn«, sagte sie.
    Wir gackerten wieder.
    »Das wusste ich schon«, sagte ich. Sie trank noch einen Schluck und bot mir die Flasche an. Ich trank und gab sie zurück. Nach einer Weile kramte ich einen Joint aus meiner Handtasche, zündete ihn an und reichte ihn ihr.
    »Gott segne dich«, sagte sie lächelnd und gab mir die Flasche.
    Wir gackerten los wie die Irren. Ich konnte nicht sagen, was ich eigentlich so lustig fand, aber es war so.
    »Du verrücktes Huhn«, sagte sie liebevoll.
    »Das weiß ich längst, hab ich doch schon gesagt«, sagte ich noch einmal. Wir kicherten.
    Wir teilten uns das Starkbier und den Joint und gackerten, bis die Sonne unter- und der Mond aufging. Als die erste Literflasche leer war, rannte ich zu einem Laden an der North Rampart und kaufte eine zweite, und als die leer war, eine dritte.
    »Gott segne dich«, sagte die Frau, die Sandra hieß, wieder und wieder. »Gott segne dich.«
    Wir rauchten und tranken und redeten über unsere Kindheit und über Männer und Alkohol und Drogen und den Job und über Vögel. Jack Murray ignorierte mich, bis ich bei Sonnenaufgang zu seinem Platz hinübersah und feststellen musste, dass er gegangen war.

41
    V ic saß in seinem Sessel. Der Sessel, von dem aus er die Vögel beobachtete. Er schaute aus dem Fenster, und sein Gesicht sah friedlich und verträumt aus. Zwischen dem Sessel und dem Fenster war das Fußende des Bettes zu sehen. Auf dem Bett lag ein Junge oder junger Mann falsch herum, mit dem Kopf am Fußende. Er hatte dunkle Haut und Dreadlocks. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen.
    Ich war mir nicht sicher, ob er am Leben war. Vielleicht schlief er.
    Ich drehte mich zu Vic um. Tränen strömten über sein Gesicht. Er sah durchs Schlafzimmer auf den Balkon hinaus. Der Balkon war leer. Keine Vögel heute.
    Ich hörte Geheul. Vic schluchzte. Er schrie.
    Draußen wurde der Himmel schwarz. Es fing zu regnen an. Der Regen kam zur Balkontür hereingerauscht, der Blitz zuckte bis ins Wohnzimmer.
    Vic heulte und schrie. Sein Schmerz war greifbar. Er riss mich zu Boden wie eine Welle, er erdrückte mich. Der Sturm peitschte durch die Wohnung und zerriss das Haus.
    Ich wachte schreiend auf.

42
    A m nächsten Morgen hatte ich gerade meinen Kaffee ausgetrunken, als mein Handy klingelte.
    Es war Kelly. Ich nahm den Anruf an. Sie sagte nicht Hallo oder Hey oder Wie geht’s.
    Sie sagte: »Erzähl mir von deinem Traum.«
    Ich erzählte ihr von dem Traum, in dem ich Tracy und Andray in der Bar gesehen hatte. Ich war mir nicht sicher, was er zu bedeuten hatte. Träume waren eine heikle Angelegenheit. Von jener Welt in diese ließ es sich nicht so leicht übersetzen.
    »Was hatte sie an?«, fragte Kelly.
    Ich erzählte es ihr.
    »Hm. Wie alt war sie?«
    »Unser Alter. So alt, wie sie jetzt wäre, wenn …«
    »Hm.« Mehr sagte sie nicht dazu. »Wo ich dich gerade am

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