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Die Stadt der verkauften Traeume

Die Stadt der verkauften Traeume

Titel: Die Stadt der verkauften Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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von einer plötzlichen Wut benebelt. Er verspürte nur noch das Verlangen, seine Hände um Snutworths Hals zu legen und zuzudrücken. Voller Verzweiflung stieß er die Arme zwischen den Gitterstäben hindurch, als könnte er sie allein mit seinem Zorn aus ihrer Verankerung reißen.
    Dann spürte er einen bohrenden Schmerz in der Brust.
    Als Nächstes lag Mark auf dem Rücken. Snutworths Stock, der mit eisiger Wirksamkeit durch die Gitterstäbe gestoßen worden war, hielt ihn am Boden fest.
    »Das können Sie nicht tun«, zischte Mark mit schmerzverzerrtem Gesicht. Er konnte kaum atmen.
    »Ihr Besitz gehört mir, Mr Mark, voll und ganz«, entgegnete Snutworth mit einer Drehung seines Stocks.
    »Dann … lassen Sie wenigstens Cherubina frei«, keuchte Mark. »Sie brauchen sie doch überhaupt nicht.«
    »Die Tochter der erfolgreichsten Waisenhaus-Oberin von Agora?« Snutworth verstärkte den Druck. »Tut mir leid, da bin ich völlig anderer Meinung.«
    »Aber sie bedeutet Ihnen doch nichts, oder?«
    Snutworth lachte. »So viel wie Ihnen, mein Junge? Die verschacherte Verlobte, die Sie jedes Mal nur mit großer Überwindung besucht haben?« Er kam noch näher heran. »Ich frage mich, ob Sie das Mädchen davor bewahren wollen, von seiner Mutter verkauft zu werden, weil Sie sich selbst nicht retten konnten? Oder ist es so, dass sie, nach allem, was Sie getan haben, die einzige Freundin ist, die Ihnen noch geblieben ist?« Snutworth drückte die Spitze seines Spazierstocks ein wenig fester in Marks Brust. »Seht euch den Sterngucker an, der auf seine eigene Legende hereingefallen ist«, sagte er. »Schaut euch das Kind an, das sich nach den Sternen streckt, während ihm all die wahren Dinge, die Dinge von Bestand, alles, worauf es letztendlich ankommt, weggenommen werden. Und keiner wird auch nur eine Träne vergießen, weil er nicht schlau genug war, ein Bettler zu bleiben, oder über die Klugheit verfügte, sich die Hände, die er dazu erwählt hatte, ihn ins Licht zu führen, genauer anzusehen.« Snutworths Mund verzog sich zu einem zuckenden, freudlosen Lächeln. »Allen anderen so viel wert, wertlos für sich selbst.«
    Der Druck ließ nach, und der Stock wurde durch das Gitter zurückgezogen. Mark umklammerte hustend seine schmerzende Brust. Als er wieder aufblickte, zog Snutworth bereits die Tür zu den Zellen hinter sich zu. Ghast sah ihm nach.
    »Der Schatten und sein Kobold bringen Unheil«, murmelte er, bevor er sich wieder seinen Zellenwänden widmete.
    Mark lag zitternd auf dem Boden. Den Schmerz in seiner Brust und seinen rasselnden Atem nahm er kaum wahr. In seinem Kopf drängten sich die Erinnerungen an sein Leben im Turm, die er wegzuschieben versucht hatte, mit Macht nach vorn und zwangen ihn, sich ihnen zu stellen. Sie zwangen ihn dazu, sich anzusehen, wie ihn Snutworth mit einem Wort oder einer Geste mühelos in die Richtung gedrängt hatte, in der er ihn haben wollte. Alle seine wichtigen Entscheidungen, sein gesamter Erfolg, gingen auf den Diener in Schwarz zurück. Vor seinem inneren Auge erhob sich Snutworth, aber nicht der eiskalte, berechnende Mann, der gerade gegangen war, sondern ein Dämon, der lachend und triumphierend über ihn hinwegtanzte – jeder Schlag seines Hufes ein weiteres Aufwallen von Schmerz in seiner Brust.
    Zwischen Wachen und Träumen hin und her wechselnd, blieb er auf dem Boden liegen. Er hörte Schritte und Stimmen. Er nahm wahr, dass es Nacht wurde und dann Tag und dann wieder Nacht, und noch immer griffen ihn seine Träume an. Snutworth schnitt seine Beine ab und wollte sie gegen etwas eintauschen, aber sein Vater besaß die Rechte auf das linke und wollte nicht verkaufen. Ein Schwärm Fische schwamm durch die Luft, ein Seestern gab den Weg vor und lachte, als er im schlammigen Boden versank. Eine Menschenmenge tanzte um ihn herum und flog dann auf wie ein Vogelschwarm, zerrte an seiner Kleidung, seinen Haaren und seinem Gesicht. Er versuchte davonzulaufen, aber die Stadtmauern ragten hoch vor ihm auf, ihre Zinnen waren mit schartigen Zähnen besetzt, die sich um ihn schlössen und ihn, als er versuchte, sich von ihnen zu lösen, einfach zermalmten. Dann stand er wieder vor seinem Turm. Der Turm wackelte, schwankte im Wind, war kurz davor vornüberzukippen, und Mark wandte sich ab, um zu fliehen, doch Graf Stelli hielt ihn mit seinen knochigen Klauen gepackt, sodass er sich nicht von der Stelle rühren konnte. Das Observatorium stürzte herab. Er konnte sehen, wie sich das

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