Die Stadt der verkauften Traeume
Es war nicht der richtige Zeitpunkt, die Geduld des Grafen zu strapazieren.
Danke deinem Meister für die Medizin, die er geschickt hat. Sie hat verhindert, dass ich von meinem Vater träume.
Leider hatte sie ihm nicht dabei geholfen zu vergessen. Nach wenigen Nächten, in denen er tief und wie betäubt geschlafen hatte, kehrten die Albträume nur umso heftiger zurück; dann glänzte der Ring am Finger seines Vaters wie ein Stern, wenn er das Leben seines Sohnes an einen Fremden verkaufte. Das Gesicht seines Vaters sah er nie: Sogar in seinen Träumen konnte er es nicht ertragen, es anzusehen.
Als oben die Tür aufging, wurde Mark aus seinen Gedanken gerissen. Er blickte eilig auf, als hastige Schritte die Wendeltreppe herabkamen und Mr Laudate in das Zimmer stürmte. Er war rot im Gesicht, und seine Augen funkelten, als sei er sehr wütend. Von oben ertönte die grollende Stimme des Grafen.
»Sie sind ein Narr, Laud! Warum machen Sie überhaupt mit, wenn Sie nicht den Schneid dazu haben?«
Die Stimme schien eher hämisch zu sein als wütend, aber Laudate wirbelte herum und schrie nach oben ins Observatorium: »Diese Frage stelle ich mir jeden Tag, Stelli. Vielleicht aus dem jugendlichen Verlangen heraus zu glauben, dass Sie hinter allem vielleicht doch ein paar gute Absichten hegten. Ich werde mich vorsehen und diesen Fehler nie wieder begehen. Mark! Wo ist mein Mantel?«
Erschrocken merkte Mark, dass er angesprochen worden war, sprang auf, um Mr Laudates Hut und Mantel vom Haken zu nehmen. Er hielt sie dem Mann hin, aber Laudate zögerte einen Augenblick, sie zu nehmen. Er starrte Mark mit diesem merkwürdig durchdringenden Blick an, den er ihm schon bei ihrer ersten Begegnung geschenkt hatte. Gerade als er etwas sagen wollte, drang eine andere Stimme von oben herab.
»Ich muss schon sagen, Laud, ich furchte, dass Sie da eine hervorragende Gelegenheit in den Wind schlagen.«
Mr Prendergast kam die Treppe herunter, schwer auf seinen Stock mit dem im Kerzenlicht glänzenden Knauf gestützt. Sofort verhärtete sich Laudates Gesichtsausdruck. Er drehte sich um und verneigte sich steif.
»Nichtsdestoweniger, Mr Prendergast, habe ich das Gefühl, dass meine Mitwirkung hiermit beendet ist. Ich habe Ihr Ereignis bereits bekanntgegeben und dafür gesorgt, dass alle entsprechend vorbereitet sind. Damit endet mein persönlicher Sachverstand in dieser Hinsicht.«
»Ganz recht, Laud.« Prendergast ging auf ihn zu und legte ihm eine schwammige Hand auf die Schulter. »Aber es ist wirklich nicht gerecht, dass Ihnen die Belohnung für Ihre Bemühungen vorenthalten bleibt.«
Laud entzog sich Prendergasts Hand, doch sein Blick wich dem des alten Mannes keinen Moment lang aus. »Meine Entscheidung ist gefallen. Ich möchte mit alldem nichts mehr zu tun haben. Ich muss mich um andere Dinge kümmern.«
Prendergasts Lächeln erstarb einen Moment lang, doch dann kehrte es doppelt so breit zurück. »Und ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei.«
»Sie sind sehr liebenswürdig, Sir«, sagte Laud eisig, nahm von Mark seinen Mantel entgegen und legte ihn sich um die Schultern. Dabei warf er einen Blick auf Marks Schreibtisch.
»Wenn du Briefe schreiben willst, Junge, solltest du dich wenigstens um die Grundkenntnisse von Rechtschreibung und Grammatik bemühen.« Sein Ton war so schneidend wie stets. Mark wollte empört protestieren, doch Laud brachte ihn mit einem wütenden Blick zum Schweigen. Fast beiläufig griff er nach der Schreibfeder und einem neuen Bogen Papier. »Ich zeig dir mal, wie das geht«, sagte er.
»Wie immer ganz der Perfektionist, Laud«, kommentierte Prendergast. »Eine Tugend, die sich nur schwer beibehalten lässt. Alte Männer wie ich haben den Wert des Kompromisses schätzen gelernt.«
»Perfektion ist ein edles Ziel, Sir. Selbst wenn man sie nicht erreichen sollte«, erwiderte Laudate. Mark schaute verwirrt auf das, was Laudate da niederschrieb.
Mach, dass du von hier wegkommst.
Mark sah verdutzt auf, aber Laud wich seinem Blick aus und wandte sich stattdessen an Mr Prendergast, obwohl er dabei eifrig weiterschrieb.
»Ich habe mir immer viel darauf eingebildet, stets zu wissen, wann meine Dienste nicht mehr gebraucht werden«, sagte er.
Du bist in Gefahr. Sie wollen dich reinlegen.
»Allerdings.« Mr Prendergast polierte den Griff seines Stocks mit einem Taschentuch. »Und auf Ihre Verschwiegenheit. Schließlich ist sie überaus wichtig für einen Mann, dessen Wohlergehen
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