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Die Stadt der verkauften Traeume

Die Stadt der verkauften Traeume

Titel: Die Stadt der verkauften Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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jedes gewöhnliche Kind, dem man die entsprechenden Worte beigebracht hat, ebenso überzeugend sein könnte wie die Gildenmeister selbst!‹« Dann hörte es sich an, als flatterte eine Zeitung zu Boden. »Meinetwegen«, knurrte Stelli. »Soll er sein Kind haben, ausgebildet von den besten ihrer Zunft.« Er stampfte mit dem Stock auf. »Soll er zusehen, wie dieses Kind durch die Geheimnisse der Alten stolpert, soll er das boshafte Lachen hören, wenn jede Prophezeiung bis auf unsere eigenen sich als leer und wertlos erweist.« Seine Stimme wurde leiser, verschwörerischer. »Sind Sie sicher, dass dieser Artikel als Wette aufgefasst wurde?«
    »Wie gesagt«, erwiderte Prendergast mit zuversichtlicher Gelassenheit, »Laud ist der Beste. Er weiß, wie man Gerüchte in Umlauf bringt. Danach bedurfte es nur einiger Worte von meiner Seite in die richtigen Ohren, um die Sache zu unserem Vorteil zu wenden. Was die Stadt angeht, so hat Ruthven seine Argumente und, mehr noch, seinen guten Ruf auf Mark gesetzt, das ›gewöhnliche Kind‹, das unsere altehrwürdigsten Sterndeuter mit seinen Zukunftsvisionen aussticht. Wenn Sie dafür sorgen, dass Marks Voraussagen entsprechend lächerlich sind, dürfte Lord Ruthven blamiert – ja geradezu gedemütigt werden. Und wenn ein Mann, der es zu seinem Beruf gemacht hat, über andere zu urteilen, sein mangelndes Urteilsvermögen derartig vorführt … Nun, die Stadt verzeiht einem so etwas nicht.« Prendergast ließ ein hohes, unangenehmes Lachen hören, das Mark in den Ohren klingelte und ihm die Erkenntnis, wie sehr er hintergangen worden war, erst so richtig zu Bewusstsein brachte.
    »Und damit wird natürlich auch Ruthvens Waage-Bund beträchtlich an Einfluss verlieren«, fuhr Prendergast fort. »Obwohl Sie mir die Erklärung dafür noch schuldig sind, warum es so wichtig ist, die Waage-Anhänger zu schädigen. Ich weiß sehr wohl, dass Sie über ihren Einfluss nie sehr glücklich waren, aber der Direktor ist Ihnen doch mit Sicherheit gewogen? Schließlich waren Sie und er doch einmal Freunde, oder nicht?«
    »Das ist schon eine Ewigkeit her, Prendergast«, brummte Stelli. »Vielleicht erzähle ich Ihnen nach dem Fest von den schrecklichen Verbrechen des Waage-Bundes. Für den Moment muss es Ihnen genügen zu wissen, dass wir nicht versagen dürfen.« Ein Anflug grimmiger Fröhlichkeit schlich sich in seine Stimme. »Obwohl ich nicht bestreiten möchte, dass die Aussicht, Ruthven nach seinem Versuch, mich lächerlich zu machen, fallen zu sehen, der ganzen Angelegenheit eine besondere Süße verleiht. Sind Sie sicher, dass der Junge keine Schwierigkeiten machen wird?«
    Prendergast prustete laut. »Ich glaube nicht, dass der Junge irgendetwas offenbaren wird. Nach der Feier dürfte er der schwerste Fall von Ausschuss der gesamten Stadt sein. Kein Dienstherr wird ihm je eine zweite Chance geben, er wäre die Investition nicht wert – allein schon des Risikos wegen, er könnte erneut versagen. Natürlich ist es für Sie lästig, einen neuen Gehilfen auszubilden, aber …«
    »Ich werde keine neuen Gehilfen mehr ausbilden.«
    Eine verdutzte Pause entstand.
    »Aber bestimmt doch … nach Ihrem großen Triumph«, hakte Prendergast nach.
    Der Graf schniefte pikiert. »Ich bin ein alter Mann, Prendergast. Ich habe mehr als achtzig Sommer kommen und gehen sehen. Wahrend all dieser Zeit hatte ich stets nur zwei Ziele: der größte Sterndeuter in ganz Agora zu werden …«
    »Was Ihnen zweifellos gelungen ist. Sie werden von allen anderen Sterndeutern verehrt und geschätzt …«, hob Prendergast an, doch der Graf unterbrach ihn mit einem unwirschen Knurren.
    »Schmeicheln Sie mir nicht. Sie fürchten mich, das schon, aber von Wertschätzung kann keine Rede sein. Meine sogenannten ›Kollegen‹ würden mich, sollte ich das Gesicht verlieren, sofort fallen lassen. Dagegen bin ich genauso wenig immun wie Ruthven.« Der Graf seufzte tief. »Mein zweites Ziel war, Ruthvens Sturz zu erleben – ihn und seine Waage-Kumpane für ihre finsteren, geheimnisvollen Verbrechen zu bestrafen. Am Agora-Tag wird mir genau das gelingen, oder ich werde selbst stürzen. Mir bleibt keine Zeit mehr, noch etwas Neues anzufangen.«
    Mark hörte ein Knarren, als hätte sich Prendergast in seinem Stuhl nach vorn gebeugt.
    »Ich bitte Sie, mein lieber Stelli«, sagte Prendergast beschwichtigend, »wir wollen doch nicht von Misslingen reden. Schließlich halten wir sämtliche Karten in der Hand. Dank unserer

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