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Die Stadt der verkauften Traeume

Die Stadt der verkauften Traeume

Titel: Die Stadt der verkauften Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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von Agora rot und violett färbten, saß Mark im Sessel des Grafen. In der Ferne ragten die Türme des Direktoriums auf, das Einzige, was genauso hoch oben war wie er. Und weit unten tauchten aus dem Morgennebel die grauen Schatten der Stadtmauern auf – der Rand der Welt. Der Legende nach gab es außerhalb der Stadt – nichts als Berge, die sich kahl und leblos dahinzogen. Mark stellte sich vor, wie er über die Stadt flog, höher und immer höher, bis zu den höchsten Türmen, und von dort auf Agora hinabblickte, auf diesen glitzernden Lebensfunken inmitten einer leeren Dunkelheit. Wenigstens um diese Zeit wirkte die Stadt ruhig und friedlich.
    Dann zerriss ein lautes Klopfen die Stille.
    Mark hastete die Treppe hinab, denn er war sicher, dass der Graf zurückgekehrt war und wissen wollte, warum niemand ausgesandt worden war, der sich um ihn kümmerte. Marks erschöpfter Verstand war bereits dabei, sich Entschuldigungen auszudenken. Er zog die Riegel zurück und riss die Tür auf.
    Es war nicht der Graf.
    »Snutworth!«, sagte Mark. Das Wort entschlüpfte ihm wie ein Seufzer der Erleichterung.
    Auch der Gehilfe sah aus, als hätte er nicht geschlafen. Er hatte eine hässliche Schramme an der Wange und ging auf einen nur allzu vertrauten Stock mit Silberknauf gestützt. Trotzdem trug sein Gesicht, als er in den Turm humpelte, einen Ausdruck des Triumphs.
    »Sensationell, Mark. Ehrlich, ein voller Erfolg!«, sagte er, als er sich in der Diele in einen Sessel sinken ließ.
    »Geht’s es Ihnen gut, Snutworth?«, erkundigte sich Mark. Snutworth winkte ab. »Unsere Freunde, die Eintreiber, waren bei meiner Festnahme ein bisschen zu voreilig, das ist alles«, sagte er und verzog das Gesicht, als er das verletzte Bein ausstreckte. »Als die Verbrechen meiner Ankläger ans Licht kamen, sind die meinigen zum Glück rasch zur Bedeutungslosigkeit verblasst.«
    »Ihrer Ankläger?«
    »Mein ehemaliger Herr«, antwortete Snutworth und lehnte sich zurück. »Der Inspektor hat mir gesagt, dass mehrere andere Anwälte nach Durchsicht der Akten eine Reihe zwielichtiger Geschäfte aufdecken konnten, darunter Beeinflussung der Justiz und Veruntreuung.« Als er Marks verwirrtes Gesicht sah, grinste er. »Grob ausgedrückt, Mark, Geschäfte wurden dahingehend angelegt, dass sie zugunsten von Mr Prendergast ausgingen, dem großen Anwalt und möglichen zukünftigen Lordoberrichter, sowie dem Vertrauten unseres größten und angesehensten Sterndeuters. Jetzt aber gingen sie eher zu Ungunsten eines unglaubwürdigen Betrügers aus, der gerade auf peinliche Weise von einem Jungen vorgeführt worden war, der noch nicht einmal dreizehn Jahre zählt.« Er zuckte die Achseln. »Ausschuss, verstehst du? Niemand will etwas mit einem Politiker zu tun haben, der nicht einmal seine eigenen Intrigen unter Kontrolle hat. Wie es scheint, war der Ruf, besonders gerissen zu sein, alles, was mein ehemaliger Herr brauchte, um seine ›Freunde‹ bei der Stange zu halten. Sie haben ihre Schulden eingefordert, und die Eintreiber … haben sie eingetrieben. Sie haben ihn in den frühen Morgenstunden erwischt, als er versuchte, in sein ehemaliges Haus einzubrechen.«
    »Dann haben sie Sie also freigelassen?«, fragte Mark.
    Snutworth schüttelte den Kopf. »Nicht ganz. Aber glücklicherweise hat das Gesetz eine interessante Eigenschaft. Prendergast hat keine lebenden Verwandten, und mit seiner Gefangennahme wird er zum Eigentum des Direktoriums. Seine Besitztümer wurden dazu verwendet, seine Schulden zu bezahlen, und das, was noch übrig blieb, kaum etwas von Wert, wurde unter seinen Bediensteten aufgeteilt.« Snutworth grinste eigenartig. »In den Augen des Gesetzes waren wir seine einzigen Kinder.« Er seufzte. »Leider hat die Strafe dafür, dass ich diesen Vogelkäfig kaputt gemacht habe, meine gesamte Erbschaft aufgefressen. Bis auf diesen Stock.« Snutworth klopfte nachdenklich damit auf den Boden. »Dabei muss ich noch dankbar sein, dass sie mich nicht mit dem plötzlichen Auftauchen einer Ratte im Glücksbrot eines gewissen Bäckers in Verbindung brachten. Andernfalls wäre ich vielleicht auch noch die Kleider losgeworden, die ich am Leib trage.«
    »Snutworth, ich …« Mark spürte, wie sich eine brennende Schuld in seinem Magen ausbreitete. »Ich wollte bestimmt nicht, dass Sie alles verlieren … Wäre es nicht darum gegangen, dass …«
    »Unsinn!«, unterbrach ihn Snutworth munter. »Prendergast wäre nie ans Ziel seines ehrgeizigen Vorhabens

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