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Die Stadt im Spiegel: Roman (German Edition)

Die Stadt im Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt im Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirko Kovac
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rückschrittlich. Nur die alten Frauen sind noch von ihm eingenommen, Leute, die hinter Gottes Rücken leben. Also habe ich mir überlegt, dass es recht besehen nicht gut sein konnte, eine durch und durch echte Begebenheit als Erfindung auszugeben, und aus diesem Grund entschied ich mich, alles so zu beschreiben, wie ich es wirklich erlebt hatte. In meinem Kopf aber schwirrte es nur so von Teufeln und Hexen, von Feen, die in unserer Gegend nach allgemeinem Einvernehmen beheimatet waren. Mit meinen eigenen Augen hatte ich ja einen Backofen gesehen, in dem die Feen ihr Brot buken, Riffkorallen, mit denen sie ihr Haar kämmten. Mit brustzerberstender Angst hatte ich die Höhle einmal betreten, in der sie ihre Feenstube hatten. Dennoch fiel ich in dieser Nacht keinerlei Phantomen zum Opfer, es gab auch keine Spur von anderen Erscheinungen, wahrscheinlich weil der Teufel den Beschreibungen meiner Urgroßmutter Petruša nicht ähnlich war, die als junge Frau mehrmals vom sprichwörtlichen Verführer heimgesucht worden sein soll, manchmal zweimal am Tag, als sie in Konavle lebte und noch ein Mädchen war.
    Mein Teufel ließ sich in der zweiten Nacht blicken, ich hatte keine Ahnung, wie spät es eigentlich war. Weder schnitt der Teufel Grimassen, noch streckte er mir die Zunge raus, er hatte nicht einmal den Ansatz von Hörnern auf seinem Kopf, Schlappohren konnte ich auch nicht entdecken, und seine Hände machten auch nicht den Eindruck von Krallen; dieser Teufel hier war so etwas wie ein Schatten, ein merkwürdiges, undefinierbares Wesen, reine Dunkelheit oder ein Geist – seine Anwesenheit fühlte ich aber mit jedem Stückchen meiner Haut. Erst hatte er sich als Rauschen bemerkbar gemacht, zischte durch die Luft, und ich bekam eine lange anhaltende Gänsehaut, ein heftiges Zittern überkam mich, und dann schritt der dunkle Schatten zum Fensterchen an der Tür, schloss es und sagte im Flüsterton ein paar für mich vollkommen unverständliche Worte. Ich bin mir nicht sicher, ob er mit irgendeinem seiner Organe erfassen und wahrnehmen konnte, dass ich zitterte, oder ob er im Dunkeln sah, wie sehr es mich vor ihm schüttelte, denn etwas Helles leuchtete mit einem Mal am Fensterchen auf; vielleicht war genau das ja sein Auge gewesen.
    Meine Angst steigerte sich ins Unermessliche, als der Teufel sagte, er sei im Besitz des Schlüssels für die Einzelzelle, es sei »ein Universalschlüssel, der alle Türen öffnen kann« und dass dieser Schlüssel sein Lieblingswerkzeug sei, es für ihn keinerlei Hindernisse gebe. Er habe Zutritt zu allen Häusern, und wenn es nötig sei, könne er lange unsichtbar bleiben und im Bedarfsfall auch mal die Zähne fletschen. Seine Redeweise war klar, keine Spur von irgendeinem Zischen, wie wir es gelesen hatten und wie es uns immer von unseren Vorfahren erzählt worden war. Es gab Zeiten, in denen immerzu die Rede vom Teufel war, man saß um die Feuerstelle herum und erzählte sich in aller Regelmäßigkeit von ihm. Jeder hatte eine eigene Satan-Version zur Hand; mein Großvater Tomo sprach davon, dass der Teufel selbst dann zu verstehen sei, wenn er eine uns unbekannte Sprache spreche. In meiner Kindheit habe ich das nie wirklich begriffen, aber je mehr Erfahrungen ich mit dem Unberechenbaren machte, desto eher verstand ich, wie recht mein Großvater hatte. War der Teufel mir erschienen, um mit mir zu spielen, oder was genau wollte er von mir? Er sagte, es sei nichts Verwerfliches an dem, was ich getan hatte, das Leiden eines Unschuldigen sei süßer als alles andere, nur die Menschen um mich herum, vor allem das »zweihöckrige Kamel«, so nannte er meine Lehrerin, täten alles, »um Mutige vor einem ausgedachten Gott zu erniedrigen, und das Schäbige dazwischen schreiben sie mir, dem Teufel, zu«.
    Bei dem französischen Jesuiten Surin habe ich gelesen, dass man »die Worte des Teufels nicht vergessen kann, nur weil man sie vergessen will«. Wer nur einmal dem Teufel begegnet war, hat sich seine Worte genau eingeprägt, so wie ich mir damals alles in der Zelle gemerkt habe. In einem Moment bat mich der Teufel, ihm näher zu kommen, er wollte mich liebkosen, aber ich habe mich noch mehr in die Ecke verzogen und so gut ich nur konnte an die Wand gezwängt. Sicher hatte er den Schlüssel vergessen, wenn er so etwas von mir verlangte, aber vielleicht gehörte sein Gerede über den Universalschlüssel auch nur zu seiner üblichen altbewährten Falle.
    Wir sprachen noch über dies und das, es fiel

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