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Die Stadt - Roman

Titel: Die Stadt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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damit er nirgends anstieß oder gar ins Leere trat, setzte er einen Fuß vor den anderen, und nach einigen Metern ertastete er etwas, das sich nach einer Tür anfühlte. Er fand die Klinke und drückte sie – nichts geschah. Doch im Schloss steckte ein Schlüssel, und als er ihn drehte, ließ sich die Tür öffnen. Ihre Angeln quietschten leise.
    Das Zimmer dahinter roch anders, und Benjamin wusste sofort, dass sie das Arsenal gefunden hatten, noch bevor er die Waffen in den Regalen und Gestellen an den Wänden sah, hinter halb zugezogenen Vorhängen. Auf der einen Seite gab es ein schmales rechteckiges Fenster, durch das nicht einmal ein Kind hätte kriechen können. Es war verstaubt, aber nicht so schmutzig wie die anderen Fenster im Keller; dahinter bemerkte Benjamin einen Lichtschacht, oben mit einem
Gitter abgedeckt. Deshalb war es in diesem Zimmer nicht völlig dunkel.
    Benjamin zog einen Vorhang beiseite und sah die Umrisse von Waffen. Sie lagen in staubigen Regalen, ebenfalls von Staub bedeckt, ruhten in kleinen Gestellen oder hingen an Wandhaken: Pistolen, Revolver und Gewehre, halb- und vollautomatisch, keine historischen Sammlerstücke, sondern moderne Waffen, genug, um ein kleines Heer auszurüsten. Benjamin hörte, wie Louise in den Schubladen einer Vitrine direkt neben der Tür kramte, und nach einigen Sekunden hörte er ein Klicken, und es wurde hell. Er kniff die an die Dunkelheit gewöhnten Augen zusammen, bis sie sich erneut angepasst hatten.
    Louise hielt eine Taschenlampe in der Hand und leuchtete damit über die Wände.
    Er lächelte zufrieden und erleichtert. »Na, was sagst du jetzt?«
    »Ich sage: Donnerwetter.« Sie zog ebenfalls einen Vorhang beiseite, entdeckte weitere Regale und noch mehr Waffen. In einer Ecke sah Benjamin Granaten und Panzerfäuste.
    Vorsichtig löste er eine Maschinenpistole aus ihrem Gestell. »Dies ist eine Heckler & Koch MP7«, sagte er und drehte die Waffe. Abgesehen vom Staub befand sie sich in einem guten Zustand. Das Magazin war gefüllt. »Sie hat eine Kadenz von etwa 950 Schuss pro Minute, mit einer Mündungsgeschwindigkeit von mehr als siebenhundert Meter pro Sekunde. Eine Waffe dieser Art mit ein paar Magazinen würde genügen, um den Supermarkt zu erobern.«
    Louise zog weitere Vorhänge beiseite und leuchtete mit ihrer
Taschenlampe. »Hier liegt Munition«, sagte sie staunend. »Jede Menge.«
    Benjamin ging langsam an den Regalen entlang, und sein Blick glitt über schwarze Pistolen und Sturmgewehre, manche von ihnen mit Zielfernrohren und Zielmarkierungslasern ausgestattet.
    »Hier ist ein Durchgang.« Louise schob eine auf Rollen montierte Regalwand beiseite, und dahinter lag ein zweites Zimmer, vielleicht noch größer als das erste.
    Es enthielt ebenfalls Waffen, alte und moderne, und einige Stellen an den Wänden waren leer.
    »Die leeren Stellen …«, sagte Benjamin nachdenklich, nahm eine Browning 9mm Halbautomatik in die Hand, betrachtete sie kurz und legte sie wieder zurück. »Vielleicht ruhten dort die Waffen, die man in der Stadt gefunden hat.«
    »Wie konnten sie hier verschwinden, obwohl niemand von diesem Arsenal weiß?«, erwiderte Louise.
    Benjamin drehte sich zu ihr um. »Na bitte«, sagte er. »Jetzt stellst du ebenfalls Fragen und suchst Antworten.«
    »Hier ist eine weitere Frage: Hat dieser Ort Ähnlichkeit mit der Waffensammlung, die du in deinem Traum gesehen hast?«
    Benjamin stellte fest, dass Louise es vermied, von Erinnerungen zu sprechen.
    »Nein.«
    Louise entdeckte eine zweite bewegliche Regalwand und schob sie vorsichtig beiseite. Die Waffen darin klapperten.
    Benjamin sah sich die älteren Revolver an, ohne genau zu wissen, wonach er suchte. Eine Lücke fiel ihm auf, zwischen
Waffen, die aus dem neunzehnten Jahrhundert stammten. Die Lücke befand sich unter einer Winchester Modell 1886, wie in verblasster Schrift auf dem kleinen Schild stand. Benjamin wusste, woher auch immer, dass von diesem Modell und seiner Variante 71 bis 1922 über hundertfünfzigtausend Exemplare verkauft worden waren. Es handelte sich also nicht um eine Rarität wie …
    Er zuckte zusammen, als ihm eine Erinnerung wie ein Schmerz durch den Kopf zuckte, zu schnell, als dass er sie hätte festhalten und mehr erkennen können als den Schemen eines Gesichts, das vielleicht Townsend gehörte, vielleicht aber auch jemand anderem. Für einen Moment glaubte er, die Waffe zu sehen, kein Gewehr, sondern einen Revolver. Aber als das Bild klarere Konturen zu

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