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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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abgerissen und sich davongemacht hatten, zeigte die Militsya weiterhin starke Präsenz und legte ein schärferes Vorgehen an den Tag als zuvor. Freidenker protestierten. Ul Qomas Regierung lancierte eine neue Kampagne, Augen auf in der Nachbarschaft, wobei Nachbarschaft sich sowohl auf die Leute nebenan bezog (was tun sie?) als auch auf die Stadt, in der man lebte (seht ihr, wie wichtig Grenzen sind?).
    In Besźel entschloss man sich, die Nacht der Unruhen stillschweigend unter den Teppich zu kehren. Sie zu erwähnen galt als fast so schlimm wie eine schwarze Katze von links. Die Zeitungen spielten sie herunter. Politiker sprachen, sofern es sich nicht vermeiden ließ, von kürzlichen Spannungen oder Ähnlichem. Die Stimmung war gedämpft. Die Unifs in Besźel hatten ihren Blutzoll entrichtet, die Überlebenden hielten sich ebenso bedeckt wie die in Ul Qoma.
    In beiden Städten war die öffentliche Ordnung bald wieder hergestellt. Der von Ahndung verhängte Ausnahmezustand dauerte 36 Stunden und wurde nie wieder erwähnt. Das Fazit der Nacht waren 32 Tote in Ul Qoma, 13 in Besźel, nicht eingerechnet die Flüchtlinge, die bei Ausbruch der Unruhen Opfer von Verkehrsunfällen geworden waren, und die spurlos Verschwundenen. Inzwischen suchten ausländische Journalisten hüben wie drüben die Schauplätze heim und fabrizierten Reportagen von tiefschürfend bis oberflächlich. Unter anderem versuchten sie hartnäckig, Interviews mit Repräsentanten von Ahndung -»anonym, selbstverständlich« - zu arrangieren.
    »Ist schon mal ein Ahnder fahnenflüchtig geworden?«, fragte ich.
    »Natürlich«, antwortete Ashil. »Aber dann begehen sie Grenzbruch, sie sind Zwischler und sie gehören uns.« Er bewegte sich vorsichtig und trug Verbände unter seiner Kleidung und der darunter verborgenen Schutzweste.
    Am ersten Tag nach den Unruhen, als ich, einen halb widerstrebenden, halb gefügigen Bowden im Schlepptau, wieder in der Zentrale erschien, wurde ich in meine Zelle eingesperrt. Seither jedoch war die Tür unverschlossen geblieben. Ich hatte drei Tage mit Ashil verbracht, die drei Tage seit seiner Entlassung aus dem geheimen Krankenhaus, in dem Ahndung seine Blessuren kurierte. Wir durchwanderten gemeinsam die Städte, im Grenzbruch. Ich lernte von ihm, wie man zwischen ihnen pendelte, erst in der einen war, dann in der anderen oder in beiden zugleich, doch ohne das Demonstrative von Bowdens außergewöhnlicher Körpersprache - eine diskretere Mehrdeutigkeit.
    »Wie hat er es geschafft, sich das anzueignen? Diese Bewegungen?«
    »Er hat die Städte zu seinem Forschungsobjekt gemacht«, sagte Ashil. »Vielleicht konnte nur ein Außenseiter wie er die tausend Kleinigkeiten wahrnehmen, mit denen die Bewohner der Städte sich kennzeichnen, die sie typisch machen, und lernen, daraus etwas zu schaffen, das gleich ist und doch anders.«
    »Wo ist er?« Das hatte ich Ashil wieder und wieder gefragt, ebenso oft war er mir ausgewichen. Auch diesmal sagte er wieder: »Wir haben unsere Methoden. Man kümmert sich um ihn.«
    Der Himmel war grau, es nieselte. Ich schlug den Mantelkragen hoch. Wir befanden uns westlich des Flusses bei den deckungsgleichen Eisenbahngleisen, ein kurzer Streckenabschnitt, auf dem die Züge beider Städte verkehrten. Der Fahrplan war international abgestimmt.
    »Aber die Sache ist, er hat nie Grenzbruch begangen.« Meine diesbezüglichen Bedenken hatte ich bis jetzt für mich behalten. Ashil wandte sich mir zu, schaute mich an, massierte seine Wunde. »Unter welcher Jurisdiktion stand er? Woher nehmen wir das Recht, ihn ...?«
    Ashil hatte einen Weg eingeschlagen, der uns am Rand der Bol-Ye'an-Ausgrabung entlangführte. Ich konnte die Züge in Besźel hören, nördlich von uns, in Ul Qoma im Süden. Wir betraten das Gelände nicht, wahrten im Gegenteil so viel Abstand, dass wir nicht gesehen werden konnten. Aber wie in stillschweigender Übereinkunft ging Ashil mit mir die einzelnen Stationen des Falls Orciny ab.
    »Was ich sagen will«, fuhr ich fort, »ich weiß, dass Ahndung niemandem Rechenschaft ablegen muss. Dennoch wird erwartet, dass ihr einen Abschlussbericht vorlegt. Dem Kontrollausschuss.« Bei diesen Worten schnellte eine seiner Augenbrauen in die Höhe. »Ich weiß, ich weiß, dessen Ruf hat durch Buric gelitten. Aber sie beharren darauf, dabei handele es sich um die persönlichen Belange der Mitglieder, und der Ausschuss wäre davon in keiner Weise betroffen. Die Prüfungskriterien und das

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