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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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glauben Sie, Sie hätten da einen Elfmeter im Tor. Schauen Sie mich nicht so an. Was ist ihr Sport? Boxen? Ich weiß, Sie erwarten, der Ausschuss müsste prompt die obwaltenden Mächte anrufen.« Ihr Tonfall wurde ernst. »Aber da erwartet Sie eine Enttäuschung. Sie müssen warten, bis Sie an der Reihe sind, und das kann ein paar Tage dauern.«
    »Ich dachte ...«
    »Früher einmal, ja. Da hätte man alles andere liegen gelassen und wäre sofort aktiv geworden. Aber die Zeiten sind schwierig, und das liegt mehr an uns als an ihnen. Die Repräsentanten beider Seiten sind nicht glücklich darüber, aber offen gesagt, Ul Qoma steht momentan auf der Prioritätenliste nicht an erster Stelle. Seit Syedrs Clique sich in der Koalition breitgemacht hat und lauthals über nationale Schwäche wettert, ist die Regierung bemüht, den Eindruck zu konterkarieren, sie wäre allzu leicht bereit, Probleme abzuwälzen. Es gibt öffentliche Anfragen die Flüchtlingslager betreffend, und das werden sie ausschlachten.«
    »Jesus, Sie machen Witze. Man regt sich immer noch wegen dieser paar armen Schlucker auf?« Ein paar Glückssucher schaffen es immer und finden sich in der einen oder der anderen Stadt wieder, und natürlich können sie gar nicht anders, als bei jedem Schritt, mit jedem Blick Grenzbruch zu begehen, ohne das entsprechende Training, das Einwanderern angeboten wird. Unsere Grenzen wurden bewacht. Landeten die verzweifelten Neuankömmlinge an deckungsgleichen Strandabschnitten, galt die unausgesprochene Vereinbarung, dass sie sich in der Stadt befanden, deren Grenzpatrouille ihnen zuerst begegnete, und sie wurden in das jeweilige Auffanglager verfrachtet. Wie enttäuscht diejenigen waren, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben an den Fleischtöpfen Ul Qomas vom Zufall mit Besźel abgespeist wurden.
    »Darüber«, meinte Taskin. »Und anderes. Händeschütteln. Sie werden keine Geschäftsbesprechungen und Ähnliches absagen, wie sie es früher getan hätten.«
    »Katzbuckeln für den Yankee-Dollar.«
    »Meckern Sie nicht. Wenn die da oben es schaffen, den Yankee-Dollar nach hier zu bugsieren, soll's mir recht sein. Noch einmal in Kürze: Man wird sich nicht für Sie überschlagen, ganz egal, wer gestorben ist. Ist jemand gestorben?«
 
    Corwi brauchte nicht lange, um herauszufinden, was sie für mich herausfinden sollte. Gegen Ende des nächsten Tages erschien sie mit einer Akte in meinem Büro.
    »Ist eben von Ul Qoma rübergefaxt worden«, sagte sie. »Ich habe Spuren verfolgt. War gar nicht so schwer, sobald man wusste, wo man anfangen soll. Wir hatten recht.«
    Da war sie, unsere Leiche - ihre Akte, ihr Bild, unsere Totenmaske und plötzlich, ein Schock, Fotografien von ihr lebendig, monochrom und durch das Faxen verschwommen, aber real, unsere tote Frau lächelnd und eine Zigarette rauchend, und mitten im Wort, den Mund offen. Unsere gekritzelten Notizen, ihre Daten, unsere Vermutungen und nun Gewissheit in Rot, ohne einschränkende Fragezeichen, ihre Fakten; unter den verschiedenen erfundenen Namen der echte.

6. Kapitel
 
    »Mahalia Geary.«
    Im Raum waren 42 Personen, die um den Tisch saßen (echt antik, ganz außer Frage), und ich, stehend. Die 42 hatten Aktendeckel vor sich liegen. Zwei Protokollanten transkribierten an ihren Stationen in den Ecken des Zimmers. Mikrophone standen auf dem Tisch, Dolmetscher hielten sich bereit.
    »Mahalia Geary. Alter vierundzwanzig. Amerikanerin. Diese Informationen hat meine Assistentin zusammengetragen, sämtliche Informationen, meine Damen und Herren. Sie finden die Ergebnisse unserer Ermittlungen in den Unterlagen, die ich Ihnen geschickt habe.« Nur wenige blätterten, andere hatten die Mappe nicht einmal aufgeschlagen.
    »Amerikanerin?«, fragte jemand.
    Ich kannte nicht alle der 21 Vertreter Besźels. Der ein oder andere ... Eine Frau in mittleren Jahren, schwarzes Haar mit einer breiten weißen Strähne wie eine Professorin der Filmwissenschaft, Shura Katrinya, Ministerin ohne Ressort, respektiert, doch über ihre große Zeit hinaus. Mikhel Buric von den Sozialdemokraten, offizielle Opposition, jung, fähig, ehrgeizig genug, um in mehr als einem Ausschuss zu sitzen (Sicherheit, Wirtschaft, Kunst). Major Yorj Syedr, ein Führer des Nationalen Blocks, der rechten Gruppierung, mit der Premierminister Gayardicz gezwungenermaßen zusammenarbeitete, obwohl man Syedr nachsagte, politisch zu agieren wie die Axt im Walde. Yavid Nyisemu, Gayardiczs Minister des Kulturellen und

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