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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Vorsitzender des Ausschusses. Andere Gesichter kamen mir bekannt vor, und wenn ich mich bemühte, würden mir die Namen dazu einfallen. Die Qomani am Tisch waren mir allesamt fremd. Ich interessierte mich nicht sonderlich für Außenpolitik.
    Die meisten der Qomani blätterten in den vorbereiteten Unterlagen. Drei von ihnen trugen Kopfhörer, aber die meisten beherrschten Besź so gut, dass sie meinen Ausführungen folgen konnten. Für mich war es merkwürdig, diese Leute in formeller Ul-Qoma-Tracht nicht zu nichtsehen - Männer in kragenlosem Hemd und dunklem Jackett ohne Revers, die wenigen Frauen in farbenfrohen Wickelgewändern, die in Besźel Konterbande gewesen wären. Aber ich war nicht in Besźel.
    Der Kontrollausschuss versammelt sich in dem gigantischen, barocken, mit Beton ausgebesserten Kolosseum im Zentrum der Altstadt von Besźel und der Altstadt von Ul Qoma. Als einer von wenigen Orten hat es in beiden Sprachen denselben Namen: Kopula. Der Grund dafür ist, dass es sich nicht um ein deckungsgleiches Gebäude handelt, es gehört auch nicht zu der Sorte Mixtum compositum, ein Stockwerk/Zimmer in Besźel, das nächste in Ul Qoma. Äußerlich befindet es sich in beiden Städten, im Innern gehört der größte Teil zu beiden oder keiner. Wir alle - einundzwanzig Abgeordnete aus jedem Staat, ihre Assistenten und meine Wenigkeit - trafen uns an einer Verbindungsstelle, einer Fuge, einer Parallele.
    Mir kam es vor, als wäre noch eine weitere Partei im Raum: der Grund für die Zusammenkunft. Möglicherweise fühlten sich außer mir auch noch andere im Zimmer beobachtet.
    Über dem Rascheln von Papier (derjenigen Ausschussmitglieder, die sich mit den zur Verfügung gestellten Unterlagen befassten), bedankte ich mich nochmals dafür, dass man mir gestattet hatte, vor diesem erlauchten Gremium zu erscheinen. Eine rein pragmatische Höflichkeit. Diese Versammlungen des Ausschusses fanden regelmäßig statt, aber ich hatte Tage warten müssen, bevor ich einen Termin bekam. Taskins Warnung in den Wind schlagend, hatte ich versucht, eine außerordentliche Sitzung zu erwirken, um möglichst schnell der Verantwortung für Mahalia Geary ledig zu sein (eine unerträgliche Vorstellung, dass ihr Mörder frei herumlief! Er musste schleunigst gefasst werden). Aber sofern man nicht mit einer Krise von epochalen Ausmaßen aufwarten konnte, einem Bürgerkrieg oder eine Naturkatastrophe, lief man gegen eine Wand.
    Wenn schon nicht Plenum, dann vielleicht eine kleine Sitzung? Ein paar Leute weniger ... Aber nein, belehrte man mich, das käme ganz und gar nicht in Frage. Taskin hatte mich gewarnt und hatte recht behalten, und ich wurde von Tag zu Tag ungeduldiger. Sie verwies mich an ihren Kontakt Erster Klasse, die persönliche Sekretärin eines der Minister im Ausschuss, die mir erklärte, dass unter der Ägide des Wirtschaftsministeriums eine der immer häufiger werdenden internationalen Messen stattfand, somit Buric unabkömmlich sei, der sich als Schirmherr solcher Ereignisse hervorgetan hatte, Nyisemu ebenso und sogar Syedr. Selbstverständlich waren dies sakrosankte Ereignisse. Dass Katrinya mit Diplomaten tagte. Dass Hurian, Beauftragter des Finanzministeriums von Ul Qoma, eine unmöglich zu verschiebende Besprechung mit dem Gesundheitsminister Ul Qomas hatte, und so weiter, und so weiter, und es gäbe keine außerordentliche Sitzung. Die ermordete junge Frau würde noch einige weitere Tage unzulänglich ermittelt bleiben müssen, bis zur nächsten regulären Zusammenkunft. Dann, zwischen den unvermeidlichen Beschlüssen über eventuelle Zwistigkeiten, der Verwaltung gemeinsam genutzter Ressourcen - Überlandleitungen, Kanalisation und Abwasser, besonders kompliziert deckungsgleiche Gebäude -, würde ich die zwanzig Minuten Redezeit bekommen, um meinen Fall vorzutragen.
    Vielleicht gab es Leute, die in die Details dieser Regulationen eingeweiht waren, aber die Spezifika der internen Mauscheleien des Kontrollausschusses waren nie Gegenstand des öffentlichen Interesses gewesen. Ich hatte dieses Gremium zwei Mal in Anspruch genommen, vor langer Zeit. Damals herrschten noch rauere Sitten. Beide Male wären Besź und Qomani fast aufeinander losgegangen, zwischen den beiden Staaten herrschte Eiszeit. Sogar in Jahren, in denen wir in bewaffneten Konflikten als nicht kämpfende Unterstützer der gegnerischen Parteien auf verschiedenen Seiten standen, wie zum Beispiel im Zweiten Weltkrieg - nicht die ruhmvollste Episode in der

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