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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Sie so klug sind wie zuvor?«
    »Ich armer Tor. Tja, sieht so aus. Die Macht war nicht mit mir.« Mahalia Gearys Zimmer war tatsächlich ein bedrückend unpersönlicher und nichtssagender Raum gewesen. Dagegen war Yolandas, einen Flur weiter, in den wir der Vollständigkeit halber ebenfalls einen Blick geworfen hatten, vollgestopft mit coolem Schnickschnack, Romanen und DVDs, maßvoll extravaganten Schuhen. Ihr Computer fehlte.
    Ich hatte Mahalias Zimmer sorgfältig durchsucht. Hilfreich waren dabei die Fotos der Militsya, auf denen sie dokumentiert hatten, wie es aussah, bevor die Bücher und wenigen Habseligkeiten markiert, durch- und untersucht wurden. Das Zimmer war mit Flatterband abgesperrt, und Beamte hielten die Studenten fern, aber wenn ich aus der Tür schaute, über den kleinen Stapel Trauergebinde hinweg, sah ich an beiden Enden des Flurs Mahalias Kommilitonen stehen, junge Männer und Frauen, die eine ABID - die ID-Karte mit dem Nachweis ihrer Aufenthaltsberechtigung - diskret an der Kleidung befestigt trugen. Sie flüsterten untereinander. Manche weinten.
    Wir fanden weder Notiz- noch Tagebücher. Dhatt hatte meinem Ersuchen um Kopien von Mahalias Fachliteratur nachgegeben. Diese im Prozess des Durcharbeitens überreichlich mit Kommentaren zu versehen, schien ihre bevorzugte Lernmethode zu sein. Der Blätterstapel wartete auf meinem Tisch. Das Kopieren schien in Eile erfolgt zu sein, denn Gedrucktes und Handschriftliches schlingerte über die Seiten. Während ich mit Corwi sprach, entzifferte ich ein paar Bruchstücke von Mahalias im Telegrammstil hingekritzelten Debatten mit sich selbst in Die Volksgeschichte Ul Qomas.
    »Wie ist Ihre Kontaktperson?«, wollte Corwi wissen. »Ihr qomanisches Gegenstück zu mir?«
    »Ehrlich gesagt bin ich hier das für ihn, was Sie dort für mich sind.« Nicht eben geistreich, aber sie lachte.
    »Wie sehen Ihre Büros aus?«
    »Wie unsere, mit besserem Briefpapier. Sie haben mir meine Waffe abgenommen.«
    In Wirklichkeit hatte das Hauptquartier der Militsya so gut wie keine Ähnlichkeit mit unserem Präsidium. Von der besseren Einrichtung abgesehen, war es ein großer, offener Raum mit Weißwandtafeln und Bürokabinen, über deren halbhohe Seitenwände hinweg die benachbarten Kollegen diskutierten und frotzelten.
    Ich war überzeugt davon, dass der größte Teil der örtlichen Militsya von meinem Kommen unterrichtet worden war. Dessen ungeachtet erzeugte ich eine Welle unverhohlener Neugier, als ich Dhatt an seinem Büro vorbei - sein Rang berechtigte ihn zu einem eigenen kleinen Raum - zu dem seines Vorgesetzten folgte. Colonel Muasi begrüßte mich mit einem eklatanten Mangel an Enthusiasmus, dann folgte ein Blabla mit den Stichworten: gutes Zeichen der sich wandelnden Beziehungen zwischen unseren Ländern, Vorreiter künftiger Zusammenarbeit, jede Hilfe, die Sie benötigen ... und dann forderte er mich auf, meine Waffe abzugeben. Darüber war im Vorfeld nicht gesprochen worden, und ich hatte Einwände erhoben, aber bald nachgegeben, um nicht schon in diesem frühen Stadium Aversionen zu schüren.
    Auch auf dem Rückweg fühlte ich mich mit nicht allzu freundlichen Blicken bombardiert. »Dhatt«, hatte jemand meinen Begleiter im Vorbeigehen gegrüßt und mich demonstrativ übersehen.
    »Könnte es sein, dass meine Anwesenheit die Gemüter erregt?«, fragte ich, und Dhatt antwortete: »Nicht so empfindlich. Sie sind Besź, was haben Sie erwartet?«
    »Idioten!«, empörte sich Corwi. »Frechheit!«
    »Keine Lizenz für Ul Qoma, nur in beratender Funktion im Land und so weiter.« Ich durchstöberte das Nachtschränkchen neben dem Bett. Nicht einmal eine Bibel im Schubfach. Weil Ul Qoma ein säkularer Staat war oder auf Betreiben seiner abgeschafften, dennoch respektierten Lux Templer?
    »Idioten! Also gibt es nichts zu berichten?«
    »Ich halte Sie auf dem Laufenden.« Ich schaute auf die Liste mit den Code-Sätzen, die wir verabredet hatten, aber keiner davon - Ich vermisse Knödel à la Besźel = bin in Schwierigkeiten, Arbeite an einer Theorie = weiß, wer's war - passte zur momentanen Situation. »Ich komme mir absolut bescheuert vor«, hatte Corwi gemurrt, als wir dasaßen und versuchten, uns etwas halbwegs Sinnvolles einfallen zu lassen. Ich hatte ihr Recht gegeben, aber ... Wir taten gut daran, vom Schlimmsten auszugehen und anzunehmen, dass unsere Gespräche abgehört wurden, von der noch anonymen Macht, die uns in Besźel ausmanövriert hatte. Was ist

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