Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
Vom Netzwerk:
heran, schienen geradezu feindselig gegen die geschichtsträchtigen Stätten vorzurücken. Der Bol-Ye'an-Ausgrabung war vielleicht noch ein Jahr ungestörter Existenz beschieden, bevor die Erfordernisse städtischen Wachstums sie überrollte: Geld würde die Umfriedung aus Spanplatten und rostigem Eisen sprengen, und unter offiziellen Bekundungen des Bedauerns und der Notwendigkeit würde in Ul Qoma ein weiteres (von Besźel durchsetztes) Bürogebäude in die Höhe wachsen.
    Auf meinem Stadtplan überprüfte ich die Lage und die Verbindungswege zwischen Bol Ye'an und dem Trakt der Universität von Ul Qoma, der von den Gästen der Prince of Wales mitbenutzt wurde. »He.« Es war ein Militsya -Beamter, die Hand am Pistolenkolben. Sein Partner stand einen Schritt hinter ihm.
    »Was tun Sie da?« Beide musterten mich. Der hinten stehende Beamte zeigte auf meinen Touristenausweis.
    »Was haben Sie hier zu schaffen?«
    »Ich interessiere mich für Archäologie.«
    »Den Teufel tun Sie. Können Sie sich ausweisen?« Herrisches Fingerschnippen nach Papieren. Die wenigen nichtsehenden Besź wechselten instinktiv die Straßenseite. Kaum etwas ist ungemütlicher als Krach bei den Nachbarn. Trotz der späten Stunde waren einige Qomani unterwegs und nahe genug, um den Vorfall zu bemerken, und sie taten nicht so, als wären sie taub und blind. Einige blieben stehen und gafften.
    »Ich bin ...« Ich reichte ihnen meine Papiere.
    »Tye Adder Borlo.«
    »Oder so.«
    »Polizei?« Sie musterten mich konsterniert.
    »Ich bin hier, um im Rahmen der Amtshilfe der Militsya bei einer internationalen Ermittlung zur Seite zu stehen. Ich schlage vor, Sie erkundigen sich bei Senior Detective Dhatt vom Morddezernat.«
    »Scheiße.« Sie beratschlagten außerhalb meiner Hörweite. Einer sprach in sein Funkgerät. Das Licht reichte nicht, um mit der Kamera meines billigen Handys ein Foto von Bol Ye'an zu schießen. Der aromatische Geruch der scharfen Spießchen einer Straßenbraterei wehte heran - für mich mehr und mehr der aussichtsreichste Kandidat für den typischen Geruch Ul Qomas.
    »In Ordnung, Inspektor Borlú.« Einer von ihnen gab mir meine Papiere zurück.
    »Entschuldigen Sie bitte die Belästigung, Sir«, sagte sein Kollege.
    »Schon gut.« Sie schauten verdrossen drein und warteten. »Ich war ohnehin auf dem Rückweg ins Hotel.«
    »Wir werden Sie begleiten, Inspektor Borlú.« Sie ließen sich nicht davon abbringen.
    Am nächsten Morgen kam Dhatt, um mich abzuholen. Er fand mich im Speisesaal, wo ich frühstückte und »Traditionellen Ul-Qoma-Tee« probierte, der mit süßer Sahne getrunken wurde und aromatisiert mit irgendeinem unangenehmen Gewürz. Er erkundigte sich nach meinem Zimmer, meinem Wohlbefinden und war die Liebenswürdigkeit in Person. Erst als wir im Auto saßen und er uns noch rabiater als gestern sein Fahrer vom Bordstein weg in den fließenden Verkehr katapultiert hatte, meinte er: »Ich wünschte, Sie hätten das nicht getan letzte Nacht.«
 
    Wir trafen den größten Teil von Lehrkörper und Studenten des Archäologischen Projekts Ul Qoma der Prince of Wales Universität an der Ausgrabungsstätte. Zum zweiten Mal in weniger als zwölf Stunden näherte ich mich dem umzäunten Gelände.
    »Ich habe keine festen Termine abgemacht«, erklärte Dhatt. »Ich habe mit Professor Rochambeaux gesprochen, dem Leiter des Projekts. Er weiß, dass wir noch einmal kommen, um Fragen zu stellen, aber was die Übrigen angeht, dachte ich, wir nehmen's wie es kommt.«
    Von nahem schirmte der Zaun die Ausgrabung sehr effektiv gegen die Blicke Neugieriger ab. Militsya wachte draußen, Sicherheitsleute drinnen. Dhatts Polizeimarke war das Sesam-öffne-dich für den kleinen Komplex transportabler Bürowürfel. Ich hatte eine Liste des Kollegiums und der Studenten. Unser erster Weg führte zum Büro von Bernard Rochambeaux. Er war eine drahtige Erscheinung, geschätzte fünfzehn Jahre älter als ich und sprach Illit mit einem deutlichen Akzent, der verriet, dass seine Wiege in Quebec gestanden hatte.
    »Wir sind erschüttert, alle«, sagte er. »Ich kannte das Mädchen kaum, verstehen Sie? Nur aus dem Gemeinschaftsraum. Nur vom Hörensagen.« Sein Büro befand sich in einem Container, Akten und Bücher auf Regalen, Fotografien von ihm bei verschiedenen Grabungen. Draußen hörten wir junge Leute vorbeigehen und sich unterhalten. »Natürlich werden wir Ihnen in jeder Weise behilflich sein, so gut wir können. Ich kenne nicht viele der

Weitere Kostenlose Bücher