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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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gekritzelten Telefonnummern. »Vielleicht taugt es nichts, aber man soll die Hoffnung nicht aufgeben. Scheiße.«
    »Von Ul Huan etwas, was wir noch nicht wissen?«, erkundigte ich mich.
    »Wie? Nein.« Er schaute mich an. »Hat im Großen und Ganzen Nancys Angaben bestätigt.«
    »Wissen Sie, was wir interessanterweise überhaupt nicht gehört haben?«
    »Hm? Kann Ihnen nicht folgen. Im Ernst, was meinen Sie?«
    »Das waren lauter junge Leute aus Kanada, richtig?«
    »Überwiegend. Ein Deutscher dabei und ein Ami.«
    »Okay, Anglo-Euro-Amerikanisch. Machen wir uns nichts vor - wir mögen es kränkend finden, aber wir beide wissen, was Ausländer an Besźel und Ul Qoma am meisten fasziniert. Ist Ihnen aufgefallen, was in keiner der Aussagen vorgekommen ist? Was nicht einmal andeutungsweise verdächtigt wurde, etwas mit dem Mord beziehungsweise dem Verschwinden der jungen Frauen zu tun zu haben?«
    »Was wollen Sie ...« Dhatt stockte. »Ahndung.«
    »Keiner hat Ahndung erwähnt. Als hätten sie Schiss. Normalerweise ist Ahndung das erste und einzige Thema, von dem Touristen nicht genug kriegen können. Zugegeben, die jungen Leute hier sind etwas besser angepasst als der Durchschnittstourist, aber dennoch.« Den Wachen am Tor, die uns hinausließen, signalisierten wir ein Danke und verließen das Gelände. Dhatt nickte sinnend. Ich fuhr fort: »Falls jemand, den wir kennen, verschwindet, spurlos und einfach so wie in diesem Fall, was wäre unser erster Gedanke? Auch wenn wir ihn nicht denken wollen? Und nun erst Leute, denen es viel schwerer fallen muss als uns, nicht jede Minute Grenzbruch zu begehen.«
    »Hallo!« Das war einer vom Wachpersonal, ein athletisch aussehender junger Mann mit einem David-Beckham-Irokesenschnitt der mittleren Periode. »Hallo, warten Sie bitte!« Er kam im Dauerlauf auf uns zu.
    »Sie sind die Ermittler im Mordfall Mahalia Geary, habe ich recht? Ich wollte fragen, ob Sie schon etwas wissen. Ob Sie eine heiße Spur haben. Ist es denkbar, dass die Täter entkommen sind?«
    »Wie kommen Sie darauf?«, fragte Dhatt. »Wer sind Sie?«
    »Ich? Niemand, niemand. Ich wollte nur ... Es ist traurig, es ist furchtbar, und wir alle, ich, meine Kollegen, wir sind bestürzt und wir wüssten gern, ob der oder die, die das getan haben ...«
    »Ich bin Borlú«, unterbrach ich ihn. »Wie heißen Sie?«
    »Aikam. Aikam Tsueh.«
    »Sie waren mit Mahalia befreundet?«
    »Ich, ja, könnte man sagen. Nicht wirklich befreundet, aber ich kannte sie. Guten Tag und wie geht's. Ich wollte mich nur erkundigen, ob sie schon einen Verdacht haben, eine Spur.«
    »Wenn es so wäre, Aikam, dürften wir es Ihnen nicht verraten«, sagte Dhatt.
    »Nicht jetzt«, warf ich ein. Dhatt schaute mich an. »Wir müssen selbst erst Klarheit gewinnen. Sie verstehen. Aber vielleicht dürfen wir Ihnen ein paar Fragen stellen?« Aikam Tsueh machte ein erschrockenes Gesicht.
    »Ich weiß nicht. Aber natürlich, selbstverständlich. Ich habe befürchtet, sie könnten aus der Stadt geflüchtet sein, an der Militsya vorbei. Ich habe mich gefragt, ob das möglich wäre. Ist es?«
    Er folgte meiner Bitte, seine Telefonnummer in mein Notizbuch zu schreiben, bevor er auf seinen Posten zurückkehrte. Dhatt und ich schauten ihm nach.
    »Ist das Wachpersonal eigentlich auch befragt worden?«, erkundigte ich mich.
    »Selbstverständlich. Ist nichts Brauchbares dabei herausgekommen. Es sind private Sicherheitskräfte, aber die Grabung steht unter der Ägide des Ministeriums, folglich sind die Einstellungs-Überprüfungen etwas schärfer als üblich. Die meisten von ihnen hatten ein Alibi für die fragliche Nacht.«
    »Er auch?«
    »Ich prüf's nach, aber ich kann mich nicht erinnern, dass sein Name rot markiert war, also wahrscheinlich ja.«
    Am Tor angekommen, drehte Aikam Tsueh sich um und sah, dass wir ihn beobachteten. Er hob zögernd die Hand und winkte.

14. Kapitel
 
    Man setze ihn in eine Kaffee-Bar - Teestube, um genau zu sein, wir waren in Ul Qoma -, und Dhatts dauerhaft gesträubtes Nackenfell glättet sich ein wenig. Trotzdem trommelte er mit den Fingerspitzen einen vertrackten Rhythmus auf die Tischkante, den ich nicht hätte aufgreifen können. Doch er erwiderte meinen Blick und erweckte ausnahmsweise nicht den Eindruck, es hielte ihn kaum auf seinem Platz. Er hörte mir zu und machte ernst gemeinte Vorschläge für unser weiteres Vorgehen. Er wandte den Kopf, um zu lesen, was ich mir aufgeschrieben hatte. Kurz gesagt, er war nach

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