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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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den Wagen über die Grenze gefahren. Wir wissen aber, dass Geary in Ul Qoma ermordet wurde. Also, falls nicht der Mörder sie umgebracht hat, dann nach Besźel hinübergesaust ist, sich einen Lieferwagen schnappte, im Eiltempo nach Ul Qoma zurückraste, die Tote in den Laderaum packte und wieder haste was kannste über die Grenze nach Besźel hineinfuhr, um sich der Leiche zu entledigen, dann dürfen wir mit einiger Berechtigung ein Auslandstelefonat annehmen, gefolgt von einer Gefälligkeit. Ergo zwei Tatbeteiligte.«
    »Oder Grenzbruch.«
    Ich bewegte mich ungeduldig. »Ja. Oder Grenzbruch. Aber nach allem, was wir wissen, war jemand sehr bemüht, sich eben kein Grenzvergehen zuschulden kommen zu lassen. Und uns das mitzuteilen.«
    »Richtig. Das berühmte Video. Komisch, wie das plötzlich aufgetaucht ist ...«
    Ich musterte sein Mienenspiel, doch er sah nicht aus, als wolle er sich lustig machen. »Wirklich?«
    »Liebe Güte, Tyador! Wie, sind Sie überrascht? Wer immer das getan hat, ist schlau genug, keinen illegalen Grenzübertritt zu riskieren. Er ruft lieber seinen guten Freund auf eurer Seite an und sitzt jetzt auf glühenden Kohlen vor Angst, dass Ahndung ihn am Kanthaken kriegen könnte. Und das wäre ungerecht. Aber man hat seine Beziehungen. Einen kleinen Handlanger in der Kopula oder dem Verkehrsamt oder wer sonst damit zu tun hat, und gibt ihm einen Wink, um welche Zeit man die Grenze passiert hat. Es ist ja nicht so, als wären die Bürokraten Besźels gegen Geld und gute Worte immun.«
    »Wahrhaftig nicht.«
    »Na, dann ist doch alles klar. Großartig, Sie sehen schon viel fröhlicher aus.«
    Seine Version beschrieb eine Verschwörung in viel kleinerem Rahmen als einige der anderen sich abzeichnenden Möglichkeiten. Jemand hatte genau gewusst, nach was für einem Lieferwagen er ausschauen musste. Hatte sich ein paar Videos reingezogen. Was sonst? An diesem frostklaren Tag, Ul Qomas bunte Farben von der Kälte gedämpft, war es schwer und schien absurd, in allen Ecken Orciny lauern zu sehen.
    »Zurück auf Anfang«, meinte er. »Jagd auf diesen verdammten Lieferwagenfahrer zu machen bringt nichts ein. Darum kümmern sich hoffentlich Ihre Kollegen drüben. Wir haben nichts, außer einer Beschreibung des Fahrzeugs, und wer in Ul Qoma wird zugeben, dass er ein Auto aus Besźel gesehen hat, ob mit oder ohne Pass? Deshalb noch mal von vorne, Punkt für Punkt. Was war Ihr Durchbruch?« Ich schaute ihn an. Ich schaute ihn forschend an und rekapitulierte im Geiste die Reihenfolge der Ereignisse. »Ab wann war sie nicht mehr die unbekannte tote Frau? Was war der entscheidende Anstoß?«
    In meinem Zimmer im Hotel lagen die Aufzeichnungen, die ich mir über die Gearys gemacht hatte. Ihre E-Mail-Adresse und Telefonnummer standen in meinem Notizbuch. Sie hatten den Leichnam ihrer Tochter nicht mitnehmen können, durften nicht wiederkommen, um sie nach Hause zu holen. Mahalia Geary lag in einem Kühlfach im Leichenschauhaus und wartete. Auf mich, konnte man sagen.
    »Ein Telefonanruf.«
    »Aha. Von einem Informanten?«
    »... Sozusagen. Sein Tipp hat mich zu Drodin geführt.« Dhatts Gesichtsausdruck verriet mir, dass er sich an das Dossier erinnerte, dass dort etwas anderes gestanden hatte.
    »Was soll das ... Wer?«
    »Tja, da liegt der Hund begraben.« Ich schwieg lange. Endlich senkte ich den Blick auf die Tischplatte und zeichnete Muster in die kleine Teepfütze vor mir. »Der Anruf kam von hier.«
    »Ul Qoma?« Ich nickte. »Was zum Teufel! Von wem?«
    »Keine Ahnung.«
    »Warum hat derjenige Sie angerufen?«
    »Er hatte unsere Fahndungsplakate gesehen. Richtig. Unsere Plakate in Besźel.«
    Dhatt beugte sich über den Tisch. »Den Teufel hat er getan. Wer war's?«
    »Sie wissen, dass ich mich damit in ...«
    »Natürlich weiß ich das.« Er war angespannt, redete schnell. »Natürlich weiß ich das, aber kommen Sie, Sie sind Polizist. Glauben Sie wirklich, dass ich Sie in die Scheiße reite? Wer hat Sie angerufen?«
    Die Sache war heikel. War ich Helfershelfer bei einem Grenzbruch, war er jetzt Helfershelfer des Helfershelfers. Er schien keinen Gedanken daran zu verschwenden. »Ich denke, es waren Unifs. Sie wissen, was ich meine? Unifikationisten.«
    »Das hat er frischweg zugegeben?«
    »Nein. Was er sagte und wie er es sagte, hat mich darauf gebracht. Ich wusste, es war nicht ganz koscher, aber der Anruf hat mich auf die richtige Spur gebracht. Was ist?« Dhatt lehnte sich zurück. Seine Finger

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