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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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trommelten schneller, und sein Blick ging durch mich hindurch.
    »Verflucht, wir haben was. Ich kann verflucht noch mal nicht glauben, dass Sie damit nicht früher herausgerückt sind.«
    »Langsam, Dhatt.«
    »Okay, ich verstehe - ich kann verstehen, dass Sie das in eine unangenehme Lage bringt.« »Ich habe nicht die geringste Ahnung, wer der Anrufer gewesen sein könnte.«
    »Noch bewegen wir uns innerhalb einer akzeptablen Frist, noch könnten wie die Information weitergeben und erklären, dass Sie einfach nur ein bisschen geschlafen haben ...« »Weitergeben? Was für Informationen? Wir haben nichts.«
    »Wir haben einen Unif-Bastard, der etwas weiß, das haben wir. Los, los, keine Müdigkeit vorschützen.« Er sprang auf und klapperte mit den Autoschlüsseln. »Wohin?« »Detektivarbeit leisten.«
 
    »Gottverdammt ja«, brüllte Dhatt. Er raste mit jaulender Sirene durch Ul Qomas Straßen, beschimpfte qomanische Passanten, umkurvte wortlos Fußgänger und Autos in Besźel, deren Fahrer den Druck des formlosen Unbehagens im Umfeld ausländischer Turbulenzen unwillkürlich an ihr Gaspedal weitergaben. Ein Unfall, jetzt, erschwerend mit Grenzbruch verbunden, wäre ein bürokratisches Desaster gewesen und unseren Absichten alles andere als förderlich.
    »Yari, Dhatt am Apparat.« Er brüllte in sein Handy. »Wisst ihr, ob die Unruhestifter der Unifs momentan zu Hause sind? Ausgezeichnet, danke.« Er ließ das Handy zuschnappen.
    »Sieht aus, als würden wir wenigstens ein paar von ihnen antreffen. Ich wusste, dass Sie in Besźel mit Unifs gesprochen haben. Stand in Ihrem Bericht. Aber was bin ich für ein Idiot« - Klatsch, Klatsch mit dem Handballen gegen die Stirn -, »dass ich nicht daran gedacht habe, unsere heimischen Ableger zu interviewen. Auch wenn natürlich diese Arschlöcher, diese Arschlöcher mehr als alle anderen Arschlöcher - und wir haben hier mehr als genug davon, Tyad - einen regen Informationsaustausch pflegen. Ich weiß, wo die Typen abhängen.«
    »Da fahren wir hin?«
    »Ich hasse diese kleinen Wichser. Ich hoffe ... Nichts für ungut, selbstredend habe ich zu meiner Zeit die Bekanntschaft einiger großartiger Besź gemacht.« Er warf mir einen Seitenblick zu. »Nichts gegen unser Nachbarland, und ich komme gern mal auf Besuch und wunderbar, dass wir heutzutage so ein entspanntes Verhältnis haben, viel besser als früher - was sollte der ganze Stress? Aber ich bin Qomani und ich will verflucht noch mal nichts anderes sein. Können Sie sich das vorstellen? Unifikation?« Er lachte. »Eine verfluchte Katastrophe. Einheit macht stark, bei meinem qomanischen Arsch. Ich weiß, bei Tieren sollen Mischlinge besonders robust sein, aber was, wenn wir zum Beispiel qomanisches Zeitgefühl und den Optimismus Besźels erben?«
    Ich musste ebenfalls lachen. Wir fuhren zwischen zwei historischen Begrenzungspfählen aus altersfleckigem Stein hindurch. Ich erkannte sie von Fotografien, erinnerte mich zu spät, dass ich nur den an der Ostseite der Straße sehen durfte, der andere stand in Besźel. So die vorherrschende Meinung. Sie gehörten zu den Örtlichkeiten der Städte, deren Zugehörigkeit nicht eindeutig geklärt war. Ich versuchte, die Besźhäuser zu nichtsehen, schaffte es trotz aller Mühe nicht und nahm aus den Augenwinkeln wahr, dass sie gutbürgerlich und gepflegt wirkten. In Ul Qoma war es eine heruntergekommene Gegend. Wir passierten Kanäle, und einige Sekunden lang wusste ich nicht, in welcher Stadt sie sich befanden oder ob in beiden. Vor einem von Unkraut überwucherten Hof, wo unter einem seit langem dort gestrandeten Citroën die Brennnesseln hervorquollen wie das Luftkissen unter einem Hovercraft, vollführte Dhatt eine Vollbremsung und war aus dem Auto heraus, bevor ich mich meines Sicherheitsgurts entledigt hatte.
    »Es gab Zeiten«, sagte er, »da hätten wir jeden einzelnen von den Typen weggesperrt.« Er steuerte mit großen Schritten auf eine vom Zahn der Zeit benagte Tür zu. In Ul Qoma gibt es keine legalen Unifikationisten, ebenso wenig wie legale sozialistische Parteien, faschistische Parteien, religiöse Parteien. Seit der Silbernen Erneuerung existierte in Ul Qoma ausschließlich die Nationale Volkspartei. In zahlreichen älteren Betrieben und Büros hing immer noch das Bild von Ya Ilsa, darunter hingen oft »Ilsas Brüder« Atatürk und Tito. War länger nicht renoviert worden, konnte man unter Umständen zwischen den Letzteren eine verblasste Stelle an der Wand sehen,

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