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Die Stadt und die Sterne - Mit einem Vorwort von Gary Gibson

Die Stadt und die Sterne - Mit einem Vorwort von Gary Gibson

Titel: Die Stadt und die Sterne - Mit einem Vorwort von Gary Gibson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clarke Arthur C.
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noch mit der Rückkehr Alystras. Ihre Reaktion überraschte ihn nicht, nur die Heftigkeit und Unvernunft, mit der sie erfolgt war. Obwohl er es wirklich bedauerte, dass sie davongelaufen war, wünschte er sich, dass sie ihm wenigstens den Mantel zurückgegeben hätte.
    Es war nicht nur kalt, sondern auch mühsam, sich gegen den Wind vorwärtszukämpfen, der durch die Lungen der Stadt seufzte. Alvin stemmte sich sowohl gegen den Wind als auch gegen die Kraft, die dahintersteckte. Erst als er das steinerne Gitter erreicht und umfasst hielt, konnte er sich entspannen. Er hatte gerade genug Platz, um seinen Kopf durch die Öffnung zu strecken, doch selbst da war sein Blickfeld etwas eingeschränkt, da der Eingang zu dem Luftkanal etwas zurückversetzt in die Stadtmauer eingelassen war.
    Aber er konnte genug sehen. Hunderte von Metern unter ihm nahm das Sonnenlicht Abschied von der Wüste. Die nahezu horizontalen Strahlen fielen durch das Steingitter und warfen ein seltsames Muster aus Gold und Schatten in den Tunnel. Alvin hielt sich schützend die Hand vor die Augen und starrte auf das Land hinunter, das seit unzähligen Jahrtausenden kein Mensch mehr betreten hatte.
    Es sah aus wie ein für alle Ewigkeit erstarrtes Meer. Bis fast an den Horizont erstreckten sich die Sanddünen nach Westen, deren Umrisse durch das schräg einfallende Licht grotesk übertrieben wurden. Hier und da hatte ein launischer Wind seltsame Strudel und Wirbel aus dem Sand geformt, so dass es aussah, als seien sie von Menschenhand erschaffen. In weiter Entfernung, so dass er ihre Höhe nicht einschätzen konnte, erhob sich eine Kette sanft gerundeter Hügel. Sie enttäuschten Alvin; er hätte viel dafür gegeben, die hochstrebenden Berge der alten Aufzeichnungen und seiner eigenen Träume vor sich zu haben.
    Die Sonne ruhte auf dem Rand der Hügel, und ihr Licht war gezähmt und gerötet von den Hunderten von Kilometern, die es durchdringen musste. Auf ihrer Scheibe befanden sich zwei große schwarze Flecken; Alvin wusste von seinen Studien her, dass es solche Dinge gab, aber er staunte, dass er sie so leicht sehen konnte. Sie schienen fast wie zwei Augen, die ihn ansahen, als er in seiner einsamen Nische kauerte und der Wind ihm um die Ohren pfiff.
    Es gab kein Zwielicht. Mit dem Verschwinden der Sonne schmolzen die Schatten zwischen den Sanddünen schnell zu einem einzigen dunklen See zusammen. Die Farbe schwand vom Himmel; das warme Rot und Gold verblasste und machte einem arktischen Blau Platz, das sich immer mehr zum Dunkel der Nacht verdichtete. Alvin wartete atemlos auf jenen Augenblick, den nur er allein von allen Menschen kannte – den Augenblick, in dem der erste Stern am Himmel schimmert.
    Er war schon viele Wochen nicht mehr hier gewesen, und er wusste, dass sich das Bild des Sternenhimmels inzwischen gewandelt haben musste. Aber trotzdem war er nicht auf den Anblick der Sieben Sonnen vorbereitet, als er sie jetzt zum ersten Mal sah.
    Sie konnten keinen anderen Namen tragen; die Worte kamen ihm wie von selbst auf die Lippen. Sie standen als eine winzige, sehr eng zusammenstehende und erstaunlich symmetrische Gruppe vor dem Abendrot. Sechs Sonnen waren in einer leicht abgeflachten Ellipse angeordnet, in Wirklichkeit, das wusste Alvin, ein perfekter Kreis. Jeder Stern besaß eine andere Farbe; er konnte sie mit Rot, Blau, Grün und Gold benennen, aber die anderen Färbungen überforderten sein Auge. Genau im Mittelpunkt der Gruppe schwebte ein einzelner weißer Riese – der hellste Stern am ganzen Himmel. Die Gruppe sah wie ein Schmuckstück aus; es schien unglaublich und außerhalb aller Gesetze des Zufalls, dass der Natur eine so vollkommene Form geglückt war.
    Während sich seine Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnten, konnte Alvin den großen, nebligen Schleier erkennen, den man einst Milchstraße genannt hatte. Er reichte vom Zenit bis zum Horizont und beherbergte auch die Sieben Sonnen. Die anderen Sterne waren jetzt hervorgetreten, um sie herauszufordern, und ihre zufällige Gruppierung unterstrich nur das Rätselhafte dieser voll kommenen Symmetrie. Es schien, als habe sich eine Macht gegen die Unordnung des natürlichen Universums gewandt, indem sie ihr Zeichen an den Himmel setzte.
    Zehnmal, nicht öfter, hatte sich die Milchstraße um ihre Achse gedreht, seit der Mensch auf der Erde zum ersten Mal aufrecht gegangen war. Nach ihren eigenen Maßstäben war es nur ein Augenblick. Und doch hatte sie sich in dieser kurzen

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