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Die Stadt und die Sterne - Mit einem Vorwort von Gary Gibson

Die Stadt und die Sterne - Mit einem Vorwort von Gary Gibson

Titel: Die Stadt und die Sterne - Mit einem Vorwort von Gary Gibson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clarke Arthur C.
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Periode völlig verändert – weit mehr, als ihr im normalen Ablauf der Dinge zugestanden hätte. Die riesigen Sonnen, die im Gepränge ihrer Jugend einst so ungestüm geblendet hatten, flackerten jetzt ihrem Untergang entgegen. Aber Alvin hatte den Himmel in seiner alten Pracht nie gesehen und spürte daher nichts von diesem Verlust.
    Die Kälte drang ihm bis in die Knochen und trieb ihn in die Stadt zurück. Er ließ das Gitter los und rieb sich die Hände und Arme warm. Vor ihm, am Ende des Tunnels, leuchtete das Licht Diaspars so strahlend, dass er für eine Sekunde die Augen abwenden musste. Außerhalb der Stadt gab es so etwas wie Tag und Nacht, aber in ihrem Innern existierte nur der ewige Tag. Während die Sonne unterging, füllte sich gleichzeitig der Himmel über Diaspar mit Licht, und keiner bemerkte das Verschwinden der natürlichen Beleuchtung. Schon bevor die Menschen den Schlaf nicht mehr brauchten, hatten sie die Dunkelheit aus ihren Städten vertrieben. Die einzige Nacht, die je über Diaspar kam, war eine äußerst seltene und unvorhersehbare Verdunklung, die manchmal den Park heimsuchte.
    Alvin ging langsam durch den Spiegelsaal zurück, seine Gedanken waren noch erfüllt von Nacht und Sternen. Er fühlte sich erhoben und doch bedrückt. Es schien keinen Weg zu geben, auf dem er jemals in diese gewaltige Leere entkommen konnte – und keinen vernünftigen Sinn und Zweck für ein solches Unternehmen. Jeserac hatte gesagt, dass ein Mensch in der Wüste bald sterben würde, und Alvin glaubte ihm. Vielleicht würde er eines Tages einen Weg entdecken, auf dem er Diaspar verlassen konnte, aber selbst wenn es ihm gelang, würde er bald zurückkehren müssen, das wusste er. Die Wüste zu erreichen, war ein vergnügliches Spiel, mehr nicht. Es war ein Spiel, das er mit niemandem teilen konnte und das ihn eigent lich nirgends hinführen würde. Aber es war sinnvoll, wenn es half, seine Sehnsucht zu beschwichtigen.
    Alvin zögerte vor den Spiegelungen der Vergangenheit, als kehre er nur ungern in die vertraute Welt zurück. Er stand vor einem der großen Spiegel und beobachtete die Szenen, die aus seinen Tiefen auftauchten und wieder verschwanden. Der Mechanismus, der diese Bilder erzeugte, wurde durch seine Gegenwart und bis zu einem gewissen Grad durch seine Gedanken gesteuert. Wenn er den Saal betrat, waren die Spiegel leer; sie füllten sich erst mit Leben, wenn er vor ihnen stand.
    Jetzt schien er sich in einem großen, offenen Hof zu befinden, den er in Wirklichkeit nie gesehen hatte, den es aber wahrscheinlich irgendwo in Diaspar gab. Der Hof war ungewöhnlich überfüllt; irgendeine öffentliche Versammlung schien im Gang zu sein. Zwei Männer diskutierten höflich miteinander auf einem erhöhten Podium, umringt von ihren Anhängern, die sich gelegentlich ein mischten. Die völlige Stille trug zum Zauber der Szene bei, denn die Fantasie versuchte sofort, die fehlenden Geräusche beizusteuern. Worüber diskutierten sie wohl?, fragte sich Alvin. Vielleicht war es gar keine reale Szene aus der Vergangenheit, sondern reine Erfindung. Die sorgfältig getroffene Ausbalanciertheit der Figuren, die förmlichen Bewegungen, all das wirkte zu sehr gestellt für wirkliches Leben.
    Er beobachtete die Menge und suchte nach Bekannten. Er erkannte niemanden, aber vielleicht waren es Freunde, denen er erst Jahrhunderte später begegnen würde. Wie viele mögliche Variationen des menschlichen Angesichts gab es? Die Zahl war gewaltig, aber trotzdem endlich, besonders, da die unästhetischen Möglichkeiten beseitigt worden waren.
    Die Menschen in der Spiegelwelt setzten ihre Diskussion fort und ignorierten das Bild Alvins, das bewegungslos unter ihnen stand. Manchmal fiel es schwer zu glauben, dass er nicht selbst Teil der Szene war, so vollkommen wirkte die Illusion. Wenn eines der Scheingebilde in den Spiegel hinter Alvin zu treten schien, verschwand es, ganz wie in der Wirklichkeit; wenn sich jemand vor ihn stellte, wurde er selbst verdeckt.
    Er wollte eben gehen, als er einen seltsam gekleideten Mann bemerkte, der etwas abseits von der Hauptgruppe stand. Seine Bewegungen, seine Kleidung – alles an ihm schien irgendwie nicht in diese Versammlung zu passen. Er störte das Bild; ebenso wie Alvin war er ein Anachronismus.
    Er war wesentlich mehr als das. Er war real, und er sah Alvin mit einem spöttischen Lächeln an.

Fünf
    Fünf
    In seinen zwanzig Lebensjahren hatte Alvin nicht einmal ein Tausendstel der Einwohner

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